IQWiG konkretisiert und verschärft die Bedingungen für eine Zusatznutzenbewertung in onkologischen Studien mit Cross-over

Do, 06.12.2018

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Als Besonderheit der klinischen Prüfung von onkologischen Arzneimitteln können Patienten bedarfsgesteuert innerhalb der randomisierten kontrollierten Studien den Behandlungsarm wechseln, um alle Behandlungsvorteile zu erhalten. Aufgrund dieses als Cross-over bezeichneten Vorgangs liegt eine Erhöhung des Verzerrungspotenzials für alle Endpunkte vor.

Bereits für elf Studien führte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Dossierbewertungen durch, bei denen ein Wechsel von der Kontroll- zur Prüftherapiegruppe ermöglicht wurde. Am Beispiel des Endpunktes Gesamtüberleben überprüfte das  IQWiG den Effekt eines Cross-overs auf das Verzerrungspotenzial. Für die Ableitung eines (Zusatz-)Nutzens sollte ein beobachteter Effekt mit ausreichender Sicherheit nur auf eine einzige Einflussgröße zurückzuführen sein. Zur Adjustierung des Behandlungseffektes stehen naive Methoden, wie u. a. die Intention-to-treat (ITT)-Analyse und komplexe Methoden, wie u. a. die Inverse-Probability-of-Censoring-Weighting (IPCW)-Methode oder die Rank-preserving-structural-Failure-Time(RPSFT)-Methode zur Verfügung. Es zeigt sich laut IQWiG, dass die betrachteten Dossiers, in denen Methoden wie die IPCW oder RPSFT zur Anwendung kamen, bezogen auf den Cross-over-Effekt methodisch unvollständig sind. Allerdings wurden diese komplexen Methoden lediglich in drei Studien (27 %) geplant und angewendet.

Folglich konnte ein Zusatznutzen nur dann abgeleitet werden, wenn Auswertungen vorlagen, für die ein Behandlungswechsel zur Prüfintervention nicht berücksichtigt werden musste oder als nicht entscheidend für die Aussagekraft angesehen wurde. Das IQWiG schließt nach Durcharbeiten der Literatur, dass es aktuell keine statistische Methodik gibt, die die Analyse patientenrelevanter Endpunkte unter dem Einfluss eines Cross-over-Effektes mit ausreichender Sicherheit ermöglicht. Statistische Verfahren unterliegen selbst dem Risiko einer verzerrten Auswertung oder sind an die Berücksichtigung von Annahmen zur Wirksamkeit des Arzneimittels gebunden, die in der Praxis nicht überprüfbar sind.

Damit postuliert das IQWiG ein systematisches und damit grundsätzliches methodisches Defizit bei klinischen Studien mit Cross-over, was letztlich bedeutet, dass derartig designte Studien keine Aussicht auf einen festgestellten Zusatznutzen erwarten lassen. Das ist sicherlich ein problematischer Aspekt, insbesondere weil damit der Sponsor der Studie einem aus IQWiG-Sicht kaum auflösbaren Dilemma ausgesetzt wird. Besonders effektive Therapien müssen verständlicherweise allein schon aus ethischen Gründen ein Cross-over zulassen.

Als etablierte Strategieberatung im Gesundheitswesen mit einem Schwerpunkt auf den Prozess der frühen Nutzenbewertung nach §35a SGB V, insbesondere im Rahmen des AMNOG, setzt sich die SKC Beratungsgesellschaft mit den aktuellen methodischen Standards und deren Argumentation des IQWiG intensiv auseinander, um gemeinsam mit ihren Klienten im Rahmen einer Gesamtstrategie jedwede Fallstricke nicht nur zu antizipieren, sondern frühzeitig angehen zu können.

VON Univ.-Prof. Dr. med. Matthias P. Schönermark, Geschäftsführender Gesellschafter und Bianca Prelle, B. A. Gesundheitsmanagement

Quelle:
IQWiG: Treatment Switching in onkologischen Studien
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