Umsetzung der MDR offenbart erhebliche Probleme und gefährdet Medtech-Innovationen
Auch wenn das Inkrafttreten bereits mehr als zwei Jahre zurückliegt und entsprechende Übergangsfristen festgelegt wurden, werden zunehmend Befürchtungen laut, dass Engpässe in der Medizinproduktversorgung von vor allem invasiven chirurgischen Medizinprodukten dennoch eintreten könnten. Bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der MDR wurden von Medizinproduktherstellern und Industrieverbänden längere Übergangsfristen gefordert, um den gestiegenen regulatorischen Anforderungen im Zertifizierungsprozess Rechnung tragen zu können. Auch die Bundesregierung teilt mittlerweile diese Bedenken und befürwortet längere Übergangsfristen, um Versorgungsengpässe zu vermeiden.
Neben den gestiegenen regulatorischen Anforderungen der MDR wirken jedoch noch weitere Einflussfaktoren, die das Szenario eines möglichen Versorgungsengpasses wahrscheinlich machen. Vor dem Hintergrund der Medizinproduktskandale über schadhaft produzierte Brustimplantate mit Industriesilikon und Hüftprothesen mit Metallabrieb wurden auch die privaten Prüfstellen (sog. Benannten Stellen), die in der Konformitätsbewertung die Anforderungen prüfen und die Marktfähigkeit mit dem CE-Kennzeichen bescheinigen, stärker reguliert. Mit Ablauf der Übergangsfrist am 26. Mai 2020 verlieren automatisch alle derzeit aktiven Benannten Stellen ihre Akkreditierung und müssen sich entsprechend vor Ablauf der Frist neu benennen lassen. Auch im Benennungsverfahren sind die Anforderungen an die Benannten Stellen erheblich gestiegen, sodass von einer deutlichen Reduzierung der Anzahl der Stellen ausgegangen werden kann.
Nach alten Bestimmungen der Richtlinien stehen Medizinproduktherstellern noch 58 Benannte Stellen zur Auswahl, davon sind jedoch zum heutigen Zeitpunkt nur fünf bislang dazu berechtigt, eine Konformitätsbewertung nach den neuen Bestimmungen der MDR durchzuführen. Ein enormer Engpass in Neu- und Rezertifizierung von Medizinprodukten ist die Folge, der auch die Verfahrensdauer für Medizinprodukthersteller erheblich verzögert und Versorgungsengpässe verstärken könnte. Eine Umfrage des Fachverbands Elektromedizinische Technik (ZVEI) unter ihren Mitgliedunternehmen offenbarte, dass 70% der Unternehmen bereits heute deutliche Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Benannten Stellen bemängeln und Verfahren sich erheblich verzögerten. Der bestehende Fachkräftemangel in diesem Bereich bildet zusätzlich einen verstärkenden Faktor. Dies wirkt sich gleichermaßen auf die Medizinprodukthersteller und Benannten Stellen aus, die um dieselben Fachkräfte konkurrieren und Probleme in der Besetzung offener Stellen beklagen.
Die Medizinprodukthersteller können aktuell nur auf eine Verlängerung der Übergangsfristen hoffen, in jedem Fall müssen sie sich auf deutlich verzögerte Verfahren in der Konformitätsbewertung einstellen, was in einer immer schwierigen Planbarkeit der Markteinführung neuer Medizinprodukte resultiert. Mehr denn je ist es notwendig, strategische Aspekte der CE-Zertifizierung, der Markteinführung und der Erstattungsmöglichkeiten frühzeitig zu evaluieren und unter Einbezug einer umfassenden Risikoanalyse zu planen.
Von Dipl.-Kffr. Heike Kielhorn-Schönermark und M. Sc. Maximilian C. Florian
Quellen:
Ärzteblatt: Medizinprodukteverordnung: Industrie will längere Übergangsfristen
Ärzteblatt: Bundesregierung hält Engpässe bei Medizinprodukten für möglich
DeviceMed: Zwei von 58 sind viel zu wenig
Tüv Süd: MDR: EU-Medizinprodukteverordnung
Klinik Einkauf: Veränderungen an EU-Medizinprodukte-Verordnung unwahrscheinlich
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