Deutschland und seine neue Regierung

Was der Koalitionsvertrag für Deutschland als Pharma-Standort bedeutet

Mi, 07.05.2025
Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler ist die neue deutsche Regierung nun im Amt, auch wenn die Wahl erst im zweiten Durchgang erfolgreich war. Ein Novum in der Bundesrepublik Deutschland. Der Koalitionsvertrag wurde veröffentlicht, die Ministerposten sind besetzt und Nina Warken, eine politische Generalistin, übernimmt das Amt der Gesundheitsministerin. Für die Pharmaindustrie und alle, die im Bereich Market Access in Deutschland tätig sind, ist dies ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen: Was können wir für Deutschland als Pharmastandort und die zukünftige Erstattungslandschaft erwarten – insbesondere im Hinblick auf das AMNOG-Verfahren?

Stabilität als Leitprinzip – Aber zu welchem Preis?

Der Koalitionsvertrag bekräftigt das Engagement für die industrielle Gesundheitswirtschaft Deutschlands, insbesondere die pharmazeutische Industrie und Medizintechnik, als Leitwirtschaft. Der Pharmadialog soll fortgesetzt und das AMNOG-Verfahren weiterentwickelt werden, mit Fokus auf die „Leitplanken“ und personalisierte Medizin. Darüber hinaus soll die Versorgungssicherheit durch die Rückverlagerung der Produktion kritischer Arzneimittel und Medizinprodukte nach Deutschland und Europa gestärkt werden – ein klassischer industriepolitischer Ansatz.

Diese Ambitionen sind jedoch eindeutig durch die finanzielle Realität eingeschränkt: solide Finanzierung. Das deutsche System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht unter erheblichem finanziellem Druck. Die Beitragssätze steigen, und die strukturelle Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wird größer – und die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen. Die Implikation: Die Erstattungsbedingungen für Arzneimittel werden sich voraussichtlich nicht verbessern.

Für Pharma- und Biotech-Unternehmen bleibt der Ausblick herausfordernd. Während der politische Wille zur Modernisierung des AMNOG-Verfahrens vorhanden ist, deutet der begrenzte finanzielle Spielraum auf erhöhten Preisdruck, kürzere Phasen der freien Preisbildung und ein allgemein restriktiveres Erstattungsklima hin.

Reform des Gesundheitssystems über die Pharmaindustrie hinaus

Über Arzneimittel und Erstattung hinaus skizziert die Koalition umfassendere strukturelle Veränderungen im Gesundheitssystem. Zu den wichtigsten Prioritäten gehören:

  • Stärkung der Vor-Ort-Apotheken, insbesondere in ländlichen Gebieten, durch erhöhte Vergütung und reduzierte Bürokratie.
  • Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft durch die Einführung leistungsbezogener Leistungsgruppen und die Konzentration auf eine bedarfsgerechte regionale Versorgung.
  • Beschleunigung der Telemedizin und digitalen Triage, einschließlich hybrider DRGs und einer stärkeren Rolle digitaler Plattformen bei der frühen Bewertung und Zugangskoordination.

Diese strukturellen Veränderungen spiegeln ein Gesundheitssystem im Wandel wider – und die Pharmaindustrie muss verstehen, wie sich ihre Rolle in diesen breiteren Wandel einfügt.

Ein Ministerium im Wandel – Nina Warken als Gesundheitsministerin

Nina Warken übernimmt die Leitung des Gesundheitsministeriums mit wenig Vorerfahrung in der Gesundheitspolitik. Ihre Ernennung folgt dem „Gröhe-Prinzip“: Fokus auf administrative Verwaltung statt auf politische Expertise. Sie wird von zwei erfahrenen Gesundheitspolitikern – Tino Sorge und Georg Kippels – als parlamentarische Staatssekretäre unterstützt.

Es ist eine interessante Konstellation: Warken gilt als organisiert und kommunikativ, während Kippels und Sorge tief in der Gesundheitspolitik verankert sind. In einem Bereich wie der Arzneimittelregulierung, in dem Fachwissen entscheidend ist, könnte dieses Trio gut funktionieren – vorausgesetzt, die Rollen bleiben klar definiert und Warken kann ihre Koordinationsfunktion effektiv ausüben.

Die entscheidende Frage ist, ob Warken die dringend benötigten Strukturreformen liefern kann, um Innovation, Zugang und Bezahlbarkeit in Einklang zu bringen – oder ob das Ministerium auf vorsichtige Verwaltung und Krisenbewältigung zurückgreifen wird.

Unsicherheit navigieren – Erfolg durch Zusammenarbeit fördern

Trotz einiger klarer Ambitionen bleiben viele Aspekte des Koalitionsvertrags vage. Die geplante Expertenkommission zur GKV-Finanzierung wird beispielsweise erst im Frühjahr 2027 Vorschläge vorlegen. Für Pharma- und Biotech-Unternehmen bedeutet dies anhaltende Unsicherheit. Doch der Handlungsdruck ist enorm – sowohl auf der Zahlerseite als auch innerhalb der Pharmaindustrie.

Hier wird fundiertes lokales Fachwissen unerlässlich. Wir unterstützen seit mehr als 20 Jahren Pharma- und Biotech-Klienten mit erfolgreichen Market Access Strategien in Deutschland – einschließlich AMNOG-Verfahren, Erstattungspfaden und strategischer Positionierung. Unsere fundierten Kenntnisse über das deutsche Gesundheitssystem hilft Klienten, Risiken zu bewerten, Chancen zu identifizieren und auch in volatilen Zeiten mit Zuversicht zu navigieren.

Fazit: Zwischen politischem Ehrgeiz und wirtschaftlicher Realität

Der neue Koalitionsvertrag bildet die Grundlage für eine Legislaturperiode voller komplexer Herausforderungen: Sicherstellung der Versorgung, Stabilisierung der GKV-Finanzen und Stärkung der Rolle Deutschlands als Innovationsstandort. Allerdings bleibt die Kluft zwischen politischem Ehrgeiz und finanzieller Machbarkeit groß – mit Auswirkungen auf die Realität der Arzneimittelerstattung.

Nina Warken steht nun vor der Aufgabe, sich in einem hoch technischen politischen Umfeld zu beweisen. Die neue Regierung ist im Amt, und ein neues Kapitel in der deutschen Gesundheitspolitik beginnt. Für die Pharmaindustrie bedeutet es wachsam zu bleiben, flexibel zu handeln – und die richtigen Partner mit fundierter, lokaler Expertise zu wählen.

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner Dr. rer. nat.  Florian Stieglitz
Dr. rer. nat. Florian Stieglitz
Consultant
M.Sc. Biomedicine
Fon: +49 511 64 68 14 – 0
Fax: +49 511 64 68 14 – 18

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