EU-HTA auf nationaler Ebene - Bedeutende Brücke (vor)geschlagen
Referentenentwurf zeigt konkrete Absichten für die nationale Umsetzung der EU-HTA-Verordnung in Deutschland auf
Verhältnis zwischen europäischem und nationalem Dossier
Wie in der Verordnung (EU) 2021/2282 festgehalten, wird bis 2030 schrittweise für alle neuen Arzneimittel auf europäischer Ebene ein JCA-Dossier einzureichen sein. Dazu muss weiterhin ein rein nationales Dossier eingereicht werden, um die spezifischen Anforderungen zur Beschlussfassung durch den G-BA zu erfüllen. Es gilt dabei das sogenannte „Doppelanforderungsverbot“: Informationen dürfen in Dossiers auf EU sowie nationaler Ebene weder doppelt gefordert noch initiativ eingereicht werden.
Wie bereits antizipiert soll dies in Deutschland mit einer „Verweislösung“ umgesetzt werden, indem der Unternehmer im nationalen Dossier angibt, an welchen Stellen des JCA-Dossiers sich die aus seiner Sicht für das Nutzenbewertungsverfahren relevanten Inhalte befinden. Dies ist insbesondere für die PICOs als Herzstück des Dossiers von entscheidender Bedeutung. Das JCA-Dossier ist dabei entweder bereits auf der IT-Plattform der EU-Kommission veröffentlicht oder eine durch den pharmazeutischen Unternehmer (pU) abgesegnete Version wird dem G-BA zur übergangsweisen Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Interessanterweise kann bei einer Einstellung des JCA aufgrund eines verspäteten bzw. unvollständig eingereichten JCA-Dossiers die Einreichung eines „regulären“ AMNOG-Dossiers verlangt werden, da das Doppelanforderungsverbot in diesem Fall keine Geltung hat.
Für den AMNOG-Prozess stehen natürlich weiterhin die deutschlandspezifischen Nachweise im Vordergrund, weshalb der pU in jedem Fall die Zweckmäßigkeit und Aktualität der Inhalte des JCA-Dossiers für die deutsche Nutzenbewertung zu prüfen hat. Sollte der pU den Zusatznutzen etwa gegenüber einer Vergleichstherapie nachweisen, die nicht Teil des EU-Bewertungsumfangs geworden ist, kann bzw. sollte er dies ebenfalls tun.
Inhalte der deutschen Nutzenbewertung/ Beschluss
Der Referentenentwurf stellt klar, dass die deutsche Nutzenbewertung künftig auf Grundlage des deutschen und des europäischen Dossiers sowie der veröffentlichten europäischen Berichte erfolgen soll. Die wissenschaftlichen Inhalte des JCA-Reports sind für die nationalen Behörden dabei nicht bindend (für den Bewertungsbeschluss muss nicht zwangsläufig ein JCA-Report vorliegen). Es bleibt jedoch unklar, auf welche spezifischen Inhalte der europäischen Berichte (etwa vom pU als nicht relevant eingestufte PICOs) sich die Behörden im HTA-Verfahren und der Verhandlung künftig berufen werden können. Konkretisiert wird hingegen, dass der pU die Möglichkeit hat, ergänzende und ausführende Analysen im Rahmen der nationalen Nutzenbewertung einzureichen, sofern diese für die Nutzenbewertung auf Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse notwendig sind.
Zeitabläufe
Das bekannte Verfahren der Dossiereinreichung beim Gemeinsamen Bundesausschuss einschließlich der vorgegebenen Übermittlungsfristen wird auch bei vorrausgegangenen JCA-Verfahren grundsätzlich bestehen bleiben.
Um jedoch für die nationale Bewertung regelhaft die europäischen Berichte berücksichtigen zu können, wird dem G-BA die Befugnis eingeräumt, das Verfahren für bis zu 3 Monate nach Zulassung regelhaft auszusetzen, solange sie noch nicht veröffentlicht sind. Hintergrund ist, dass verfahrenstechnisch einwandfreie JCA-Reports üblicherweise erst ca. 45 Tage nach (Erst-)Zulassung eines Arzneimittels und damit des frühestmöglichen maßgeblichen Zeitpunkts für die Dossiereinreichung veröffentlicht werden. Daraus ergibt sich, dass der pU zwar das nationale Dossier nach den gewohnten zeitlichen Vorgaben einzureichen hat, das Verfahren jedoch erst bis zu 3 Monate später beginnt, was in der Folge eine entsprechende Verschiebung aller nachgelagerten Bewertungsmeilensteine sowie der Preisverhandlung bedeutet. Der verhandelte Erstattungsbetrag soll dabei auch weiterhin rückwirkend ab dem 7. Monat gelten.
Fazit
Dem BMG und dem G-BA sind die nun aufkommenden Herausforderungen beim Übergang von Europa nach Deutschland bewusst. Insbesondere der Umgang mit (regelhaften) Verzögerungen hat zu viel Diskussion geführt, da das AMNOG Verfahren im europäischen Kontext bisher zu einer nahezu bestmöglichen und schnellen Verfügbarkeit von Arzneimitteln führt – und somit aus Sicht vieler Stakeholder im Grunde nur verlieren kann. Mit der dargestellten Regelung soll sich in Bezug auf schnelle Verfügbarkeit nichts ändern, wenngleich durch die Unternehmer mitunter größere Rückstellungen gebildet werden müssen. Einige konkrete Fragen sind bisher dennoch ungeklärt, insbesondere in Bezug auf den Zeitpunkt des Ein-/Aussetzen des Clock-Stops, der entsprechenden Benachrichtigung an den Unternehmer sowie den Konsequenzen eines unvollständigen JCA Dossiers. Wir halten Sie weiterhin auf dem Laufenden und informieren unsere Klienten kontinuierlich über die strategischen Implikationen der neuen Erkenntnisse.
Quellen:
Über den Autor
Senior Medical Writer
M.Sc. Drug Research and Development
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