GVWG und Market Access

Obwohl der Infektionsschutz die aktuelle Gesetzgebung dominiert, finden auch weiterhin allgemeinere Gesetzesänderungen statt – z. B. durch das GVWG.

Do, 20.05.2021
Die aktuelle Legislaturperiode zeichnet sich durch besonders viele neue Gesetze und Verordnungen im Gesundheitswesen aus. Dies war bereits vor dem Ausbruch der aktuellen COVID-19-Pandemie der Fall und wurde seitdem noch eindeutiger. Häufig ist es schwierig, vom Titel der Gesetze auf die Inhalte zu schließen. So auch beim aktuellen Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG). Es beinhaltet Änderungsvorhaben bei gleich zwei zentralen Paragrafen für den Market Access: § 130b SGB V und § 35a SGB V

An diesem Freitagmorgen (21.05.2021, 09:00 Uhr) wird der Bundestag das GVWG voraussichtlich abschließend beraten. Somit neigt sich der im Oktober 2020 begonnene Gesetzgebungsprozess dem Ende und Änderungen der geplanten Inhalte werden weniger wahrscheinlich, grundsätzlich jedoch weiterhin möglich. Allerdings darf anhand der für den Freitag eingereichten Beschlussempfehlungen vermutet werden, dass die Abschnitte, die sich auf den Market Access beziehen, nicht betroffen sind.

Einführung eines „fortgeltenden Erstattungsbetrags"

Durch einen neuen § 130b Abs. 8a SGB V wird geregelt, dass für Arzneimittel ein zuvor verhandelter Erstattungsbetrag auch dann fortgilt, wenn der Unterlagenschutz ausläuft und der Patentschutz weiterhin besteht. Für viele mag dies klar gewesen sein, rechtlich war dies jedoch noch nicht abschließend geklärt. Der relevante Unterschied zwischen den Schutzrechten wird bei einem genaueren Blick auf die aktuelle Gesetzeslage deutlich: Laut § 2 Abs. 1 AM NutzenV ist der Unterlagenschutz das maßgebliche Schutzrecht, damit ein Arzneimittelwirkstoff als neu anzusehen ist und gemäß § 35a Abs. 1 SGB V zum Gegenstand der AMNOG-Nutzenbewertung wird. Die Nutzenbewertung gilt, nach § 130b Abs. 1 SGB V, wiederum als Grundlage für die Erstattungsbetragsverhandlungen. Der Erstattungsbetrag ist somit indirekt an den Unterlagenschutz gekoppelt. Der Patentschutz hingegen spielt, laut § 35 Abs. 1 SGB V, eine wichtige Rolle für die Festbeträge. In der Regel überdauert der Patentschutz durch ergänzende Schutzzertifikate den Unterlagenschutz, welcher ab Zulassung für 8 Jahre gilt und zumeist auf 10 Jahre verlängert wird. Da das AMNOG neulich seinen 10-jährigen Geburtstag feierte, wurde es notwendig, Regelungen einzuführen, welche die Konstellationen abdecken, bei denen Arzneimittel sich einerseits durch Auslaufen des Unterlagenschutzes für einen Erstattungsbetrag disqualifizieren und andererseits durch einen noch bestehenden Patenschutz nicht in die Festbetragsregelung fallen.

Kontrovers wird diskutiert, dass der fortgeltende Erstattungsbetrag für alle wirkstoffgleichen Arzneimittel anzuwenden ist, sobald beide Schutzrechte des erstmalig zugelassenen Arzneimittels ausgelaufen sind und (noch) keine Festbetragseingruppierung möglich ist. Hierunter fallen also nicht bloß Generika und Biosimilars, sondern auch Inverkehrbringungen für ein neues Anwendungsgebiet. Die Verbände der pharmazeutischen Industrie kritisieren daher, dass innovative Weiterentwicklungen von „Alt-Wirkstoffen", die einen neuen Unterlagenschutz begründen, weniger attraktiv werden. Außerdem erkennen sie im fortgeltenden Erstattungsbetrag ein Instrument, das dem Preismoratorium, nach § 130a Abs. 3a SGB V, gleicht, ohne allerdings einen Inflationsausgleich vorzusehen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Veröffentlichung vertraulicher Inhalte vorausgegangener Erstattungsbetragsvereinbarungen. Aufgrund der geplanten Gesetzesänderung sollen die Preisstrukturmodelle zu den nunmehr ungeschützten Arzneimitteln auf der Internetseite des GKV-SV veröffentlicht werden. Hierdurch soll ermöglicht werden, dass Anbieter von neuen, aber wirkstoffgleichen Arzneimitteln ihren Preis am fortgeltenden Erstattungsbetrag ausrichten können. Zu diesem Zweck wurde der GKV-SV schon durch das Anfang 2020 verabschiedete Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) berechtigt, sich Informationen zur Laufzeit der Schutzrechte bei den pharmazeutischen Unternehmen sowie beim BfArM und PEI einzuholen. Bereits im FKG wurden Regelungen zum fortgeltenden Erstattungsbetrag getroffen. Diese waren allerdings nicht vollständig und müssen nun im GVWG konkretisiert werden.

Die Kritik von Seiten der pharmazeutischen Industrie ist sehr umfangreich und geht hin bis zu europarechtlichen Bedenken. Und auch der GKV-SV äußert in seiner Stellungnahme, dass er sich nicht verantwortlich sieht, die Preisstrukturmodelle zu veröffentlichen. Daher ist es nicht auszuschließen, dass weitere Gesetzesänderungen, wenn auch nicht mehr im GVWG, folgen könnten.

Veröffentlichung von generalisierten Informationen aus G-BA-Beratungen

Eine weitere Änderung des GVWG bezieht sich auf den §35a Abs. 7 SGB V. Der Gesetzgeber entspricht somit dem Wunsch des G BA und erlaubt ihm, generalisierte Informationen zu Nutzenbewertungsvorgaben auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Diese betreffen insbesondere die vorzulegenden Unterlagen und Studien sowie Informationen zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Hintergrund dieser Neuregelung ist die gestiegene Nachfrage für Beratungen und daraus resultierende Schwierigkeiten des G-BA, die ihm gesetzte Vorbereitungsfrist von 8 Wochen einzuhalten.

Es ist davon auszugehen, dass der Nutzen der Informationen sinkt, wenn die Generalisierung steigt. Daher bleibt es abzuwarten, ob die bereitgestellten Informationen tatsächlich ausreichen, um Fragen ausreichend zu beantworten und Beratungsanträge im Umfang oder sogar in ihrer Anzahl zu reduzieren. Anhand der Gesetzesbegründung ist abzusehen, dass die Informationen zumindest nach Therapiegebiet differenziert werden und Hinweise für zu untersuchende Patientenpopulationen, Vergleichstherapien, Studiendauer und patientenrelevanten Endpunkten veröffentlicht werden.

Als spezialisierte Unternehmensberatung liegen uns bereits jetzt umfangreiche Erfahrungswerte vor, die uns ermöglichen, redundante Fragestellungen zu vermeiden und qualitativ hochwertige Fragen auszuarbeiten. Diese zeichnen sich vor allem durch den strategischen Mehrwert für den gesamten AMNOG-Prozess aus. Dennoch sind wir gespannt auf die Veröffentlichungen auf den Internetseiten des G BA und GKV-SV sowie auf weitere Gesetzesdynamiken und werden sie sorgfältig analysieren, um optimale Handlungsempfehlungen für unsere Klienten abzuleiten.

Quellen:
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