Wird das BMG die Orphan Drug Zulassung während der EU Präsidentschaft ändern?

Di, 07.05.2019
Das Bundesministerium für Gesundheit erwägt Änderungen für die Orphan Drug Zulassung im Vorfeld der Übernahme der EU Präsidentschaft

Von Juli bis Dezember 2020 wird Deutschland die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen. Im Vorhinein prüft das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mögliche Gesetzesänderungen für die Orphan Drug Zulassung in Deutschland. Zusätzlich wird der Vorschlag ebenfalls innerhalb der European Medicines Agency (EMA) und der Europäischen Kommission geprüft (APMHE 56398), da eine Entscheidung in den Zeitraum der deutschen EU Präsidentschaft fallen könnte.

In Deutschland leben etwa 4 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Die Seltenheit einer solchen Erkrankung sowie medizinische und ökonomische Gründe verhindern oftmals eine adäquate Forschung und medizinische Versorgung der betroffenen Patienten. Durch die Europäische Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden, die im Jahr 2001 wirksam wurde, wurden wirtschaftliche Anreize zur Entwicklung von Orphan Drugs für pharmazeutische Unternehmen geschaffen. Seit Einführung dieser EU-Verordnung sind 144 Orphan Drugs zugelassen wurden.

Hintergrund einer möglichen Gesetzesänderung ist eine erhöhte Anzahl an Orphan Drug Zulassungen innerhalb der letzten Jahre. Thomas Müller, Leiter der Abteilung für Arzneimittel und Medizinprodukte des Bundesministeriums für Gesundheit, stellt jedoch in Frage, ob die wirtschaftlichen Anreize der Orphan Drug Produktion weiterhin bestehen bleiben sollen.

Gegenwärtig gilt der Zusatznutzen für Orphan Drugs als belegt, sobald eine Zulassung für den deutschen Markt vorliegt, so dass der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) nur noch das Ausmaß des Zusatznutzens bestimmt. Ein neuer Gesetzesentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), der gegenwärtig im Bundestag diskutiert wird und Mitte dieses Jahres wirksam werden soll, könnte nun zu erheblichen Änderungen in der Zulassung für Orphan Drugs in Deutschland führen.

Mit dem Vorschlag zur Gesetzesänderung soll eine neue Berechnungsgrundlage der 50 Millionen Euro Grenze für Orphan Drugs eingeführt werden, in der, neben den bereits enthaltenen ambulanten Kosten, nun auch die stationären Kosten berücksichtigt werden müssen. Bei der Überschreitung dieser Umsatzbegrenzung müssen pharmazeutische Unternehmen innerhalb von drei Monaten einen Zusatznutzen im Vergleich zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie vorweisen. Hierfür ist der G-BA befugt, anwendungsbegleitende Datenerhebungen (Register) zu verlangen, für die er die Richtlinien vorgibt.

Weiterhin führt Müller aus, dass Orphan Drugs innerhalb der EU häufig mit dem Argument der Dringlichkeit für Patientinnen und Patienten zugelassen werden. Allerdings basiere die Zulassung oftmals nur auf Phase II Studien, die den Anforderungen des G-BA für Neuzulassungen oft nicht genügen, so Müller weiter.

Im Besonderen erscheint die neue Berechnungsgrundlage der 50 Millionen Euro Grenze als problematisch, da die bevorstehende Einbeziehung der stationären Kosten im Orphan Drug Sektor einen erheblichen Einfluss auf die Umsatzschwelle haben wird. Hierdurch könnte der Aufwand für den pharmazeutischen Unternehmer größer werden und der Erstattungsbetrag für Orphan Drugs könnte sinken. Der Erstattungsbetrag soll basierend auf den Registerdaten regelmäßig überprüft werden und könnte dann gesenkt werden, wenn die Daten nicht den Richtlinien des G-BAs entsprechen.

Abschließend kann festgehalten werden, dass pharmazeutische Unternehmen mit finanziellen Einbußen rechnen müssen, wodurch eine adäquate Forschung sowie eine angemessene Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen zumindest erschwert werden wird.

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VON Univ.-Prof. Dr. med. Matthias P. Schönermark, Geschäftsführender Gesellschafter und Dr. rer. nat. Marc Wengler

Quellen: 

APM Health Europe - Germany 'examining' changes to orphan drug approvals ahead of EU 2020 presidency ( auf Englisch)

Bundesgesundheitsministerium - Entwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung

 

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