Eine Arzneimittel­strategie für Europa

Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen bemüht sich um eine Harmonisierung des europäischen Arzneimittelmarkts

Mo, 30.11.2020
Am 25. November 2020 stellte die EU-Kommission ihre umfangreiche Gesamtstrategie für den europäischen Arzneimittelmarkt vor. Mit 477,7 Mio. Einwohnern ist die Europäische Union der zweitgrößte Arzneimittelmarkt der Welt und von zentraler Bedeutung für die Pharmaindustrie.

Im Fokus der Strategie liegt ein wettbewerbsfähiger Sektor, der allen EU-Bürger*innen den gleichberechtigten Zugang zu hochwertigen, wirksamen, sicheren und erschwinglichen Arzneimitteln gewährleisten soll. Die Strategie zielt zudem darauf ab, mehr Rechtssicherheit für die Industrie zu schaffen. Entsprechend könnten bereits bestehende oder neue Anreize in Zukunft an Konditionen wie eine EU-weite Markteinführung gekoppelt werden.

Wichtig ist der Kommission, bisher nicht gedeckten medizinischen Bedarf zu adressieren, wie er beispielsweise für 95 % der ungefähr 7.000 bekannten seltenen Erkrankungen besteht. Darüber hinaus soll mehr Forschung für neue Behandlungsmethoden der pädiatrischen, geriatrischen und schwangeren wie stillenden Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Zusätzlich integriert die Strategie bestehende Ziele der EU, wie den europäischen Krebsbekämpfungsplan, der insbesondere auf pädiatrische und seltene Krebserkrankungen abzielt, aber auch insgesamt den Zugang zu innovativen Therapien in der gesamten Union gewährleisten soll. Auch sollen Impulse und Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika und Impfstoffe gegeben werden. Die derzeitige Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 zeigt hier das große Potenzial neuer Technologien.

Die Industriestrategie für Europa soll Anreize für EU-Unternehmen jeder Größe geben, um Innovationen zu belohnen und zu schützen und die Unternehmen so international wettbewerbsfähig zu halten. EU-weit sollen zudem Patente und ergänzende Schutzzertifikate im Arzneimittelbereich harmonisiert und vereinfacht werden, um die Effektivität zu verbessern und Doppelarbeit zu reduzieren.

Um der Industrie und den Regulierungsbehörden europaweit Zugriff auf Gesundheitsdaten zu ermöglichen, soll im Zuge der Digitalstrategie ein Vorschlag ausgearbeitet werden, um bis 2025 eine solide und interoperable Datenzugangsinfrastruktur einzurichten. Dies inkludiert den Aufbau einer Datenbank mit 10 Millionen Genomen zur Förderung von innovativer Forschung für beispielsweise personalisierte Medizin und die Verbesserung der Krankheitsprävention. Parallel sollen bis 2022 gemeinschaftliche Projekte gefördert werden, um Hochleistungsrechentechnik und künstliche Intelligenz im Umgang mit Gesundheitsdaten voranzubringen. Außerdem soll die Strategie den Arzneimittelmarkt mit dem „Green Deal" in Einklang bringen.

Die Kommission sieht großes Potential auf dem Gebiet personalisierter und patientennaher Therapie, vor allem auf Basis von Gen- und Zelltherapien. Die zunehmende Unsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit und der anfallenden Kosten durch hochpreisige „Nischenbuster", die auf kleinere Patientengruppen abzielen und für die entsprechend weniger Evidenz besteht, muss jedoch adressiert werden.

Dies ist aus Market Access Perspektive von großer Relevanz, da vor allem die steigenden Arzneimittelbudgets der Krankenhäuser angemerkt werden. Dies hat zur Folge, dass derzeitige finanzielle Schutzmechanismen für die Entwicklung von Seltenen Erkrankungen überprüft und gegebenenfalls adjustiert werden. Darüber hinaus hat die Kommission es sich zum Ziel gemacht, die Preisfestsetzung und Kostenerstattung – Sache der Mitgliedsstaaten – in den kommenden vier Jahren mit einer Gruppe zuständiger Behörden zu koordinieren.

Welche expliziten Änderungen von der Kommission, in Bezug auf Arzneimittel für Seltene Erkrankungen und Kinder (Revision of the EU legislation on medicines for children and rare diseases), im Rahmen der Arzneimittelstrategie vorgeschlagen wurden, erläutern wir in unserem nächsten Blogpost. 

Wenn Sie verstehen möchten, welche potenziellen Auswirkungen die gesetzlichen Änderungen auf den Market Access Ihres Produktes haben könnten, sprechen Sie uns gerne an.

Quellen:

 

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner Dr. rer. nat. Daniel Brand
Dr. rer. nat. Daniel Brand
M. Sc. Biomedizin
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