Die AMNOG-Reform - Drahtseilakt zwischen Innovation und Scheinaktivismus

Do, 04.08.2016
Die kommenden Wochen wird ein erster Referentenentwurf des novellierten Arzneimittel-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erwartet, doch schon jetzt winken bereits führende Gesundheitsökonomen wie Professor Jürgen Wasern ab. In der  kürzlich erschienenen Ärztezeitung äußerte sich Prof. Wasern kritisch dahingehend, dass statt einer wahrhaftigen Reform eher ein „Reförmchen“ zu befürchten sei. Die Grundidee des AMNOG habe sich die letzten Jahre als funktionsfähiges Konzept erwiesen, das den Bedürfnissen der Patienten nach einem leistungsfähigen Gesundheitssystem gerecht würde, dennoch seien auch einige Mängel zu beanstanden, so Wasern. Die Vorstellung des BMG, dass das AMNOG ausschließlich als Preisregulierungsinstrument wirke, sei mit der Realität nicht in Einklang zu bringen, vielmehr habe das AMNOG auch tiefergehende Einflüsse auf die Gestaltung des GKV-Leistungskataloges, so Wasern.  Des Weiteren erwartet der habilitierte Gesundheitsökonom nicht, dass Schwachstellen, wie die methodische Engstirnigkeit des IQWIG, die streitbare Festlegung von zweckmäßigen Vergleichstherapien oder die Bildung von Mischpreisen  mit der erwarteten Reform adäquat die Stirn geboten wird.  Dennoch besteht ein deutlicher Reformbedarf, wie an der Vielzahl der klagenden Stimmen deutlich wird.

Martin Lack von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung  prangert an, dass der Verzicht auf die sogenannte „vierte Hürde“ im Zulassungsprozess des deutschen Gesundheitssystems nur ein theoretischer Verzicht sei.  Vielmehr würde diese belastende Bürde auf den niedergelassen praktizierenden Arzt übertragen und eben dieser würde zur  „vierten Hürde der Zulassung“, indem ihm mit immensen Regressforderungen ein entsprechendes Verschreibungsverhalten aufdiktiert und so nicht allen Produkten der gleiche Zugang zum Patienten gewährt würde.

Auch Vertreter der gesetzlichen Kassen, die unter dem Druck stetig steigender Arzneimittelausgaben stehen, kritisieren wichtige Eckpunkte des AMNOG-Verfahrens.  DAK-Vorstandsvorsitzender Prof. Rebscher fordert ein flexibleres und deutlich empirischeres Bewertungsverfahren, welches sich auch auf Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung stütze. Deutlich wird auch, dass die frühzeitige Arzneimittelbewertung durch das AMNOG ein Feld mit deutlichem Spannungspotential, durch vollkommen gegensätzliche Interessen von Patienten, Krankenkassen und Pharmaindustrie, darstellt, als  führende Vertreter der forschenden Arzneimittelhersteller und die Kassenärztliche Bundesvereinigung  kürzlich anklagten, dass Krankenkassen Ergebnisse des AMNOG-Verfahrens nutzen würden, um diese als Therapieempfehlungen an die Ärzteschaft heranzutragen.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass einer Reformierung des AMNOG deutliches Potential inne wohnt, da an vielen Stellen sicherlich Raum für Optimierung besteht. Nicht zuletzt muss man sich hier im Klaren sein, dass aufgrund der unterschiedlichsten Interessen aller Beteiligten in diesem Prozess keine Musterlösung zu finden sein  wird. Vielmehr wird darauf zu achten sein, einen praktikablen Konsens zu entwickeln, der vor allem für den wichtigsten Protagonisten in diesem Prozess, den Patienten, gewinnbringend ausfallen wird.  Schlussendlich muss der ausstehende Reformentwurf abgewartet werden, um ein aussagekräftiges Fazit  über die Entwicklung der Zulassungsbedingungen von Arzneimitteln in Deutschland treffen zu können, welches nicht mit absoluter Sicherheit positiv ausfallen muss.

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http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/nutzenbewertung/article/915605/grosser-wurf-kleiner-schritt-amnog-reform-wohl-steckenbleiben.html?cm_mmc=Newsletter-_-Newsletter-C-_-20160711-_-Nutzenbewertung
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