Innovationsreport 2017 und die Gegenreaktionen der pharmazeutischen Industrie

Mi, 11.10.2017
Am 20. September wurde der Innovationsreport 2017 der Techniker Krankenkasse (TK) in einer Pressekonferenz vorgestellt. In dem Report werden alle 32 im Jahr 2014 in Deutschland eingeführten und durch den G-BA bewerteten Medikamente durch ein Ampelsystem beurteilt, unter anderem um die Schwachpunkte des AMNOG aufzudecken. Untersucht wird, ob ein Medikament die bestehende Therapie verbessert, ein Zusatznutzen vorhanden und die Kosten angemessen sind. Während dieses Jahr keines der Produkte eine grüne Gesamtampel erhielt, wurde stattdessen 17x die gelbe und 15x die rote Gesamtampel verteilt. Kritikpunkte sind die stark ansteigenden Arzneimittelpreise und Therapiekosten bei gleichzeitig geringer Innovationskraft und die nach Auffassung der Autoren fehlende Entwicklung von Arzneimittel in Bereichen, in denen ein sehr hoher „medical need“ besteht. Gefordert wird, dass es neben der Frühen Nutzenbewertung (§35a SGB V) auch eine Spätbewertung geben muss und auch eine systematische Versorgungsforschung unabdingbar ist, um die Qualität im Arzneimittelsektor langfristig aufrechtzuerhalten. Zudem sollte zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit der bisherige Herstellerabschlag von 7% auf 10% erhöht werden. Ein Sonderkapitel widmen die Autoren des Reports dem Thema der Biologicals und Biosimilars. Biosimilars sind Nachahmer-Präparate für die zwar die gleichen Anforderungen gelten wie für die jeweiligen Referenz-Biologicals, die jedoch um einiges günstiger sind, wodurch sich hohe Einsparungen realisieren lassen sollen.

Kurz nach der Pressekonferenz bezog der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) deutlich Stellung zu den adressierten Themen und Kritikpunkten des Innovationsreports 2017: Die Innovationen der letzten Jahre sind in Hinblick auf die erzielten therapeutischen Fortschritte bspw. im Bereich der Onkologie nicht wegzudiskutieren, womit auch die in einem angemessenen Rahmen zu sehenden Arzneimittelkosten gerechtfertigt werden können. Eine höhere Lebensqualität und steigende Überlebensraten sind dabei nur ein Teil des sichtbaren Erfolgs. Vielmehr werden die Innovationen von den Krankenkassen systematisch kleingeredet, zudem das genutzte Ampelsystem nicht für eine adäquate Bewertung geeignet sei. Dies führt dazu, dass Medikamente, die im Versorgungsalltag als auch in Leitlinienempfehlungen von hoher Relevanz sind, in dem Report mitunter mit roten Ampeln gekennzeichnet werden. Auch die Darstellung des Reports, dass der Orphan Drug Status für einen Teil der Medikamente nur durch die Aufteilung von Krankheiten entsteht und es durch die konditionalen Zulassungen zu einer Unterschätzung möglicher Risiken kommt, lässt sich laut vfa in keiner Weise bestätigen. Vielmehr ist es notwendig, insbesondere für seltene Erkrankungen weiterhin Arzneimittel zu entwickeln, da es kaum oder gar keine Therapiealternativen für die Patienten gibt. Die Sicherheit und der Zusatznutzen wird dabei schon während der Zulassung durch die EMA geprüft.

Im Gegenzug wird von der pharmazeutischen Industrie mit dem „AMNOG-Check 2017“, einem Gutachten des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI), auf andere Schwachstellen des AMNOG hingewiesen. So ist bspw. jedes dritte innovative Medikament, das seit 2011 den AMNOG Prozess durchlaufen musste, nicht mehr in Deutschland verfügbar. Knapp 30 Produkte wurden nach oder bereits während des AMNOG Prozesses vom Markt genommen. Wenn man sowohl die von der EMA zugelassenen, aber nicht in Deutschland eingeführten Medikamente als auch die wieder vom Markt genommenen Arzneimittel zusammennimmt, stehen den Patienten, laut BPI, nur rund 70% der in Europa zwischen 2011 und 2015 zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung. Dabei sind zum Teil genau diese Medikamente in anderen europäischen Ländern verfügbar. Dies ist unter anderem durch eine zuweilen stark auseinandergehende Beurteilung der Arzneimittel zu begründen. Bei der Bewertung durch den G-BA zeigt sich, dass die Grundlage für einen nicht attestierten Zusatznutzen dabei zum Teil auf rein formale Gründe zurückzuführen ist. Auch das Arzneimittel trotz attestiertem Zusatznutzen erst spät beim Patienten ankommen, ist laut BPI dem AMNOG Verfahren geschuldet.

Schlussendlich bleibt der größte Streitpunkt der beiden Parteien, in welcher Weise über die zukünftige Kostenentwicklung für Arzneimittel gesprochen werden sollte. Während die TK eher für einen weiteren Sparkurs plädiert, hält der BPI dagegen, dass solch ein Kostendruck sich nachteilig auswirkt und zudem die Ausgaben der GKV für Arzneimittel im ambulanten Bereich bereits seit Jahrzehnten konstant einen Anteil von nicht einmal 10% ausmachen. Ein baldiger Konsens zwischen den unterschiedlichen Lagern scheint daher auch zu Zeiten des AMNOGs fraglich.

Weitere Informationen in der Debatte um den Innovationsreport 2017 finden Sie unter:

https://www.tk.de/tk/arzneimittel/innovationsreport/innovationsreport-2017/956496

https://www.tk.de/tk/pressemitteilungen/bundesweite-pressemitteilungen/960350

https://www.vfa.de/de/presse/pressemitteilungen/pm-018-2017-report-der-techniker-krankenkasse-missachtet-medizinischen-fortschritt.html

https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/bpi-amnog-schadet-patienten-fruehe-nutzenberwertung/

https://www.pharma-fakten.de/news/details/524-sechs-jahre-nutzenbewertung-immer-groessere-versorgungsluecken-bei-neuen-arzneimitteln/
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