Gentests für Zuhause? – die USA lockern ihren regulatorischen Rahmen für DTC-Gentests, Europa schlägt die Gegenrichtung ein

Di, 21.11.2017
Anfang November veröffentlichte die amerikanische Arzneimittel- und Lebensmittelbehörde (Food and Drug Administration, FDA) in einer Pressemitteilung den neuesten regulatorischen Rahmen für den Markteintritt von prädiktiven genetischen Tests, die sich – am Arzt vorbei – direkt an den Patienten als Ergebnisempfänger wenden (sogenannte „Direct-to-consumer“-Gentests; DTC).

Anstelle des etablierten Markteintrittsverfahrens, das eine umfassende Prüfung des Produktes auf Sicherheit und Effizienz vorsieht, soll nun lediglich eine einmalige Prüfung („one-time review“) des biotechnologischen Unternehmens erfolgen. Dies bedeutet, haben sich Unternehmen einmalig bei der FDA akkreditiert (FDA pre-certifcation pilot program), können aktuelle sowie zukünftige prädiktive Gentests ohne weitere Prüfung durch die FDA auf den Markt gebracht werden. Auf diese Weise, so die FDA, sollen neue und innovative Medizinprodukte schneller bzw. effizienter einen Markteintritt finden, Sicherheitsaspekte aber weiterhin berücksichtigt werden.

Dieser Schritt beschreitet einen Weg, der vor einigen Jahren so noch nicht abzusehen war. So durfte ab dem Jahr 2013 beispielsweise das amerikanische Biotechnologieunternehmen „23andme“ nach einer Intervention der FDA nur noch Gentests vertreiben, die Aussagen über Verwandtschaftsbeziehungen machen. Ausreichende Evidenz, um potentiell weitreichende genetische Risikovorhersagen machen zu können, sah die amerikanische Behörde damals nicht gegeben. Erst im April 2017 erfolgte eine offizielle FDA-Zulassung für einen DTC-Gentests der Marke 23andme, der das Risiko für insgesamt zehn Erkrankungen bestimmen kann, darunter Alzheimer und Parkinson. Zum Vergleich: vor dem Eingreifen der US-Regulierungsbehörde bestand die Dienstleistung des Unternehmens u.a. daraus, personenbezogene Aussagen zu rund 200 genetisch bedingten Krankheiten zu treffen. Mit der neuerlich erfolgten, weitreichenden Auflockerung des regulatorischen Rahmens bricht die FDA nun augenscheinlich mit einer restriktiven Handhabung von (prädiktiven) genetischen Tests.

Mit welchen aktuellen und auch zukünftigen Entwicklungen muss diesbezüglich in Deutschland gerechnet werden?

Durch §7 des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) sind DTC-Testungen im Bereich molekularer Diagnostik in Deutschland rechtlich unzulässig. Genetische Tests, ob prädiktiv oder diagnostisch, dürfen ausschließlich durch Ärzte vorgenommen werden. Darüber hinaus ist die Zulassung bzw. Konformitätsbewertung dieser Tests einheitlich auf europäischer Ebene geregelt. In der Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR 2017/746) werden Produkte, die zur Eigenanwendung durch Patienten/ Laien bestimmt sind, sogar gesondert aufgeführt. Somit zeigt sich, dass mit der erst im Mai 2017 erneuerten IVDR, welche die alte IVD-Richtlinie (98/79/EC) abgelöst hat, auf europäischer Ebene auch weiterhin eine produktbezogene und nicht wie in den USA eine unternehmensbezogene Prüfung stattfinden wird.

Es ist jedoch unumstritten, dass der Bereich der Gendiagnostik und -therapie zu einem der innovativsten und wirkungsträchtigsten Zukunftsfeldern der nächsten Jahrzehnte gehört, das national wie international große Fragenzeichen bezüglich Zulassung und Erstattung aufwerfen wird. Umso bedeutender werden in diesem Kontext eine thematische Durchdringung und darauf aufbauende strategische Weichenstellungen. Die SKC Beratungsgesellschaft mbH, Strategieberatung im Gesundheitswesen mit langjähriger Erfahrung und profundem praktischem, wissenschaftlichem und medizinischem Wissen, steht Ihnen hierbei gerne beratend zur Seite.


Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

https://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm583885.htm

https://www.fiercebiotech.com/medtech/fda-loosens-rules-consumer-genetic-health-tests?mkt_tok=eyJpIjoiWWpBNFkyWm1NVEU1TkdVNSIsInQiOiI5NTJvTVE3NWVoZkZHKzVlZHVZVnJCTUN5ek03S2tkVzhNQVVBWm41Vk5cL0szZFUxOUhRbWRPWEtDdldSVVFjR0s0U2NiWkU5U2lZOVZKdWpuZmFIcEVoMTJRNmd1WXdFcXJPbjhVcklCRkN1ZXNwZlZtaFdJOEpjWk4xcjdGeVwvIn0%3D&mrkid=695240&utm_medium=nl&utm_source=internal

http://www.nature.com/news/23andme-given-green-light-to-sell-dna-tests-for-10-diseases-1.21802?WT.mc_id=TWT_NatureNews

https://www.fiercebiotech.com/regulatory/fda-allows-23andme-to-sell-dtc-genetic-tests-for-10-conditions

https://www.aerzteblatt.de/archiv/167563/Direct-To-Consumer-Testing-Fluch-oder-Segen-fuer-die-Patienten

http://e-health-com.de/details-news/fda-nickt-genetischen-risikotest-ab/17fc30254138586e78b8518294a1cbae/

https://www.nzz.ch/panorama/gentest-fuer-zu-hause-trotz-zulassung-nicht-ohne-risiko-ld.1015623
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