Tod am Wochenende?! – Österreichische Studie konstatiert erhöhtes Mortalitätsrisiko für Patienten, die am Wochenende auf Intensivstationen eingeliefert werden

Mo, 13.11.2017
Der „Wochenend-Effekt“ wurde ein weiteres Mal bestätigt. Das Team um den Notfallmediziner Dr. Paul Zajic von der Medizinischen Hochschule Graz untersuchte in einer Studie mögliche Unterschiede des Mortalitätsrisikos für Patienten, die entweder an einem Wochentag oder am Wochenende auf eine Intensivstation eingeliefert wurden. Dabei wurden Daten von rund 150.000 Patienten ausgewertet, die zwischen 2012 und 2015 auf einer von 119 österreichischen Intensivstationen behandelt wurden. Rund 17% dieser Patienten (ca. 26.000 Männer und Frauen) wurden am Wochenende auf die Intensivstation eingeliefert; ca. 14.000 starben während ihres dortigen Aufenthaltes. Trotz starker Patientenheterogenität und Variationen im case mix (hohe Varianz bei der Schwere der Krankheit und dem Grund der Aufnahme auf die Intensivstation zwischen Wochentagen und Wochenenden), sprechen die Wissenschaftler von einem stark erhöhten Mortalitätsrisiko für Patienten, die am Wochenende auf die Intensivstation kamen oder sich geplanten Operationen unterzogen: Patienten, die samstags eingeliefert wurden, hatten ein um 11%, sonntags gar um ein 15% höheres Mortalitätsrisiko während ihres Aufenthaltes auf der Intensivstation zu sterben. Gleichzeitig wurde beobachtet, dass sich die Qualität der Intensivpflege am Tag der Einlieferung am Wochenende maßgeblich negativ von der Pflege an Wochentagen unterscheidet, insbesondere was Schlüsselbehandlungen wie das Legen von zentralen Venenkathetern, peripheren arteriellen Zugängen oder Behandlungen zur Verbesserung der Lungenfunktion betrifft.

Gleichwohl betonen Zajic und sein Team, dass ihre Studie nicht zwangsläufig auf andere Länder bzw. Gesundheitssysteme übertragbar sei und die Gründe für den „Wochenend-Effekt“ nicht abschließend beantwortet werden können, hat die Veröffentlichung der Studie in Critical Care auch in Deutschland hohe Wellen geschlagen.

Der Notfallmediziner Prof. André Gries, Leiter der zentralen Notaufnahme im Universitätsklinikum Leipzig, sieht in kleineren deutschen Kliniken ähnliche Probleme wie in der österreichischen Studie beschrieben: Allgemeine Personalengpässe und die schwerere Erreichbarkeit von Fachexperten an Wochenenden, so Gries, würden in kleinen Kliniken zu dieser Art von Abweichung beitragen.

Auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) nahm die Studienergebnisse zum Anlass, um die Reformierung der Notfallversorgung in Deutschland zu initiieren. „Wir brauchen eine Neustrukturierung der Notfallversorgung und zwar schnell“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-SV. Die im Positionspapier Ende August 2017 formulierten Handlungsbedarfe adressieren insbesondere die bislang fehlende Abstimmung von ärztlichem Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung, Rettungsdienst und Notaufnahmen der Krankenhäuser. Vorgeschlagen wird beispielsweise die Einführung eines stationären Notfallstufenkonzeptes, die Etablierung zentraler Notaufnahmen oder die Überprüfung der Finanzierung von Krankenhausambulanzen.

Die Gründe für den im österreichischen Gesundheitssystem nachgewiesenen und im deutschen Gesundheitskontext oftmals beschriebenen „Wochenend-Effekt“ sind wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Gesundheitsexperten sind sich jedoch einig, dass ein zu geringer Personalschlüssel und damit einhergehende erhöhte Arbeitsbelastung, unerfahrene Beschäftigte und die schlechte bzw. verzögerte Erreichbarkeit von Fachkräften Schlüsselkriterien des Mortalitätsrisikos auf Intensivstationen darstellen.

Die langjährige Erfahrung der SKC Beratungsgesellschaft mbH im Bereich Führung und Teaming im Krankenhauskontext zeigt, dass einige dieser Missstände durch „gut eingespieltes Teamwork“ aufgefangen oder zumindest abgemildert werden können. So sehen sich multidisziplinäre Teams, die regelmäßig, direkt und vertrauensvoll miteinander kommunizieren und sich in psychologischer Sicherheit wiegen, viel mehr in der Lage, den beschriebenen Herausforderungen effizienter und mit qualitativ hohem Outcome zu begegnen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

Zajic et al. (2017): Weekends affect mortality risk and chance of discharge in critically ill patients: a retrospective study in the Austrian registry for intensive care. CritCare 2017 (downloadbar unter: https://ccforum.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13054-017-1812-0)

https://www.biomedcentral.com/about/press-centre/science-press-releases/07-09-17

https://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/ains/article/942693/intensivstation-einlieferung-wochenende-erhoeht-sterberisiko.html

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/intensivstation-einlieferung-am-wochenende-erhoeht-sterberisiko/20301170.html

https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/Positionspapier_Notfallversorgung_barrierefrei.pdf
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