Sondierungen für Neuauflage der GroKo – Quo vadis Rx-Versandverbot?

Fr, 05.01.2018

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Das Versandverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln (Rx-Versandverbot) war in der vergangenen Legislaturperiode eines der letzten gesundheitspolitischen Gesetzesvorhaben, bei dem sich sowohl seltene Meinungsallianzen als auch ungewöhnliche politische Gräben entwickelten. Mit dem Scheitern der Premiere einer Koalition aus Union, FDP und Grünen auf Bundesebene und den nun am 7. Januar beginnenden Gesprächen über eine Neuauflage einer Großen Koalition (GroKo) könnten bald auch die zähen Verhandlungen über den von Noch-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegten Gesetzesentwurf zum Rx-Versandverbot von Neuem beginnen.

In der scheidenden GroKo scheiterte das Verbot im Koalitionsausschuss im März dieses Jahres durch ein Veto der SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Justiz. Das Verbot sollte die verstärkt auftretende Praxis von europäischen Versandapotheken unterbinden, durch Referenzieren auf europäisches Recht die in Deutschland geltende Preisbindung zu umgehen und mit Arzneimittelrabatten einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Die Gesetzesinitiative des Gesundheitsministers war wiederum die Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2016, in dem das oberste rechtsprechende Organ der EU die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel als einen Verstoß gegen EU-Recht bewertet hatte.

Während die Union auch weiterhin den vorliegenden Entwurf zu einem vollständigen Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unterstützt, positionierte sich die SPD noch im Bundestagswahlkampf grundsätzlich gegen ein pauschales Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Allerdings signalisierte ausgerechnet SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach bereits im Januar 2017 – und damit auch noch vor Scheitern der Gesetzesinitiative des CDU-Gesundheitsministers – Kompromissbereitschaft mit einem in den Reihen der SPD kontroversen Vorstoß, man könne sich ein Rx-Versandverbot vorstellen, wenn Chroniker komplett von der Zuzahlung befreit werden. Einen anderen Ansatz schlug jüngst die bayerische Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) in einem Beschluss vor, der fordert, Krankenkassen die Erstattung von Rezepten von (internationalen) Vertragspartnern zu verbieten, die sich nicht an die bestehenden deutschen Regelungen – und damit unter anderem an die Preisbindung – halten.

Völlig neu könnten die Karten bei einem Scheitern der GroKo-Sondierungen gemischt werden, sofern damit die Möglichkeit einer CDU/CSU-Minderheitsregierung erneut eruiert würde. Während sich sowohl Grüne als auch Liberale für eine Liberalisierung des Medikamentenverkaufs einsetzen und gegen ein pauschales Versandhandelsverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln argumentieren, unterstützt die Partei Die Linke ein Verbot des Rx-Versandhandels. Da sich weder aus dem Partei- noch aus dem Wahlprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) eine Position zum Rx-Versandhandel entnehmen lässt, besteht zumindest die theoretische Option auf eine ungewöhnliche Mehrheit im Bundestag.

Prominente Unterstützung einer Überarbeitung des Regelwerks im Sinne eines Rx-Versandverbots erfahren die Befürworter des Ansatzes der aktuellen Gesetzesinitiative von Prof. Josef Hecken, unparteiischem Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA). Dieser bezeichnete in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung (48/2017) die derzeitige Rechtsprechung als „fatal“ und sieht „keine Alternative zum Vorgehen“ des Noch-Bundesgesundheitsministers. Ungeachtet möglicher Mehrheiten sehen jedoch Kritiker wie Befürworter die grundsätzliche Frage ungeklärt, wie eine neue Initiative in ein Regelwerk gegossen werden kann, welche auch den Fall eines neuerlichen Verfahrens am EuGH standhält.

VON Univ.-Prof. Dr. med. Matthias P. Schönermark, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, SKC Beratungsgesellschaft mbH

Das vollständige Interview der Pharmazeutischen Zeitung mit Prof. Josef Hecken finden Sie hier.
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