Die Welt steht still
Wie reagiert das deutsche Gesundheitswesen auf die SARS-CoV-2 Pandemie?
Die Welt steht still - Wie reagiert das deutsche Gesundheitswesen auf die SARS-CoV-2 Pandemie?
Die Akteure des deutschen Gesundheitswesens haben in den letzten Tagen tatkräftig agiert und mit umfangreichen Maßnahmenpaketen auf die mit der SARS-CoV-2 Pandemie einhergehenden Herausforderungen reagiert. Bundesge-sundheitsminister Jens Spahn hat dem deutschen Gesundheitssystem in den aktuellen Zeiten der Corona-Pandemie volle Unterstützung zugesichert und mit dem „COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz" sowie dem "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" gleich zwei umfassende Gesetzespakete auf den Weg gebracht, die am 25.03.2020 vom Bundestag verabschiedet wurden. Diesen beiden Gesetzesvorhaben hat der Bundesrat am 27.03.2020 zugestimmt, sodass sie mit sofortiger Wirkung in Kraft treten. Sie stehen unter der Prämisse, die Infektionsrisiken für die gesamte deutsche Bevölkerung massiv zu senken. Ziele sind vor allem ein Bürokratieabbau, Sanktionsverringerungen und Kompetenzbündelungen in Krankenhäusern und Arztpraxen. In diesem Zuge hat auch der G-BA kurzfristig zahlreiche bundeseinheitliche Sonderregelungen und zeitlich befristete Änderungen in seinen Richtlinien vorgenommen. Die wichtigsten Regelungen sind nachfolgend auf einem Blick zusammengefasst.
Änderungen des G-BA
Die Anpassungen des G-BA umfassen insbesondere, die personellen ärztlichen und pflegerischen Ressourcen von bürokratischen Anforderungen und Dokumentationspflichten zur Qualitätssicherung zu befreien und somit eine höhere Flexibilität für die aktuellen spezifischen Erfordernisse in der Patientenversorgung zu gewährleisten.
- In diesem Zusammenhang werden für Krankenhäuser und spezialisierte Zentren die umfangreichen Doku-mentationspflichten hinsichtlich der Qualitätssicherungsanforderungen sowie Vorgaben zu Strukturvoraus-setzungen für Komplexcodes und Mindestmengen, die zur Sicherung der fallbezogenen Vergütung durch die Krankenversicherungen vom Krankenhaus zwingend zu erfüllen und nachzuweisen sind, in signifikan-tem Ausmaß verringert. Aufgrund der ungewissen COVID19-Entwicklungen entfällt diesbezüglich die ab-rechnungsrelevante Strukturvoraussetzung, dass beatmungspflichtige Patienten innerhalb von 60 Minuten nach Krankenhausaufnahme auf die Intensivstation aufzunehmen sind und erforderliche Mindestausstat-tungen mit Intensivpflegepersonal werden gelockert.
- Um die Anschlussversorgung im Rahmen eines situationsgerechten Entlassmanagements zu sichern und zu-sätzliche Besuche in Arztpraxen zu vermeiden, werden darüber hinaus die Kompetenzen der Krankenhäuser zur Arzneimittelverordnung auf größere Packungsgrößen ausgeweitet und Verordnungen im allgemeinen in ihrer Gültigkeitsdauer von 7 auf 14 Tage verlängert, sodass speziell die älteren Risikogruppen geschützt werden.
- Zur weiteren Reduktion der Infektionsrisken werden zudem die Befugnisse von Arztpraxen im Hinblick auf Verordnungen von ambulanten Leistungen wie häuslicher Krankenpflege, Heil- und Hilfsmitteln sowie spe-zialisierter ambulanter Palliativversorgung erhöht und die Fristenregelungen zur Vorlage bei den Kranken-kassen ausgeweitet. Zugleich sind Arzneimittelverordnungen nach telefonischer Anamnese durch den nie-dergelassenen Arzt möglich.
- Bei einem konkreten Verdacht einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus können die Arztpraxen telefonisch die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten für einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen bescheinigen.
Das „COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz“
Das mit dem Gesetz einhergehende umfangreiche Hilfspaket stellt rund 9 Milliarden Euro zusätzlich für den stationä-ren Bereich zur Verfügung.
- Die stationären Einrichtungen sind aufgrund der aktuellen Lage gezwungen, zahlreiche elektive Operatio-nen zu verschieben oder abzusagen, um ihre Kapazitäten für die SARS-CoV-2 Fälle freizuhalten. Damit die negativen finanziellen Effekte abgemildert und prekäre wirtschaftliche Schieflagen vermieden werden, er-halten die Kliniken Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, die sich pro dadurch freigehaltenem Bett auf täglich 560 Euro belaufen. Um mögliche COVID19-bedingte Mehrleistun-gen in den Krankenhausbudgets ausreichend abzubilden, werden für das Kalenderjahr 2020 der Fixkos-tendegressionsabschlag ausgesetzt und die Erlösausgleiche flexibilisiert.
- Weiterhin wird für jede neue intensivmedizinische Behandlungs- und somit Beatmungskapazität eine Ein-malzahlung in Höhe von 50.000 Euro gewährt.
- Um den erhöhten Bedarf und die gestiegenen Preisen von Schutzausrüstungen und Atemmasken abzude-cken, erhalten die Krankenhäuser für jeden voll- oder teilstationär aufgenommenen Patienten eine zusätzli-che Pauschalzahlung in Höhe von 50 Euro. Den erhöhten pflegerischen Anforderungen wird mit einer Er-höhung des tagesbezogenen Pflegeentgeltes auf 185 Euro begegnet.
- Zur Gewährleistung der Liquidität wird darüber hinaus für 2020 die zulässige Prüfquote von Krankenhaus-abrechnungen durch den Medizinischen Dienst von bisher maximal 12,5 auf 5 Prozent abgesenkt und die Strafzahlungen bei fehlerhaften Abrechnungen für die Krankenhäuser gestrichen, um eine weitere finanzi-elle Entlastung herbeizuführen.
- Mit dem COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz wird im ambulanten vertragsärztlichen Bereich ebenfalls die Möglichkeit von Ausgleichzahlungen geschaffen, wenn ein niedergelassener Arzt aufgrund der Pande-mie ein um mehr als 10 Prozent geringeres Gesamthonorar erwirtschaftet oder die Fortführung der Praxis gefährdet ist.
Das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“
Vom Bundestag wurde die „epidemische Lage von nationaler Tragweite" ausgerufen, der durch dieses Gesetz Rech-nung getragen wird. Somit erfolgt eine Kompetenzverschiebung in Richtung des Bundesministeriums für Gesund-heit, sodass schnellstmöglich Rechtsverordnungen oder Allgemeinverfügungen zum Schutz der gesamten deutschen Bevölkerung und zur Gewährleistung der Gesundheitsversorgung erlassen werden können.
- Diese Rechtsverordnungen können in folgende Bereiche regulierend eingreifen: in den grenzüberschrei-tenden Reiseverkehr, in Meldepflichten, in die Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, Medizin-produkten und Schutzausrüstung, sowie in Regelungen, die den Selbstverwaltungspartnern obliegen.
- Darüber hinaus ermöglicht das Gesetz den erwerbstätigen Eltern einen Verdienstausgleich (für bis zu 6 Wo-chen 67% vom Verdienstausfall, gedeckelt auf maximal 2016 Euro), wenn ihre Kinder die Betreuungsein-richtung aufgrund der behördlichen Anordnung nicht mehr aufsuchen dürfen.
Diese Gesetze und Maßnahmenpakete zeigen, dass die COVID19-Pandemie auch im deutschen Gesundheitswesen seine Wellen schlägt und mit massiven Auswirkungen einhergeht. Oberstes Ziel ist und bleibt der Schutz der Bevölke-rung sowie die Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Krankenhäuser und Arztpraxen können somit eine schnelle und unbürokratische Unterstützung erwarten.