Wenn das deutsche Gesundheitssystem überfordert scheint – Leistung der teuersten Arzneimittel im deutschen HTA (AMNOG)-Verfahren
Zur weiteren Diskussion zum Thema Leistung der teuersten Arzneimittel im deutschen HTA (AMNOG)-Verfahren laden wir Sie herzlich zu unserem Chat bei der Virtual ISPOR Europe 2020 am Montag, 16. November 2020, 16.30 Uhr – 18.00 Uhr ein.
Zur Regulierung des Arzneimittelmarktes wurde im Jahr 2011 das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt. Dies führte zu drastischen Veränderungen bei den Arzneimittelkosten in Deutschland, die mittlerweile sogar unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Obwohl die Arzneimittelkosten in Deutschland deutlich gesenkt wurden, gibt es immer noch ein kleines Segment hochpreisiger Arzneimittel mit Jahrestherapiekosten von > 300.000 €, das kontinuierlich wächst und eine erhebliche finanzielle Belastung für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) darstellt. Eine Analyse der frühen Nutzenbewertung von 2011 bis Juni 2020 zeigte, dass derzeit insgesamt 22 hochpreisige Arzneimittel auf dem deutschen Markt verfügbar sind. Die Jahrestherapiekosten dieser Arzneimittel schwanken zwischen 309.400 € und 3.698.323 €. Ohne Berücksichtigung von Patientensubgruppen ist ZyntegloTM, indiziert für die Behandlung der transfusionsabhängigen β-Thalassämie, mit Therapiekosten von 1.874.250 € das derzeit teuerste Medikament in Deutschland. Berücksichtigt man jedoch Patientensubgruppen, so ist Kanuma® mit Behandlungskosten von 3.698.323 € das teuerste Medikament, das für die Behandlung von Patienten im Säuglingsalter mit rasch fortschreitendem lysosomalem saurem Lipase-Mangel indiziert ist.
77 % der teuersten Medikamente gehörten zu den Therapiegebieten Stoffwechselerkrankungen und Hämatologie. Darüber hinaus handelte es sich bei 77 % aller hochpreisigen pharmazeutischen Produkte um Orphan Drugs. Diese Arzneimittel verfügen über fortschrittliche und innovative Wirkmechanismen, darunter rekombinantes Protein (58 %), Gentherapie (23 %), monoklonale Antikörper (12 %) und synthetische Nukleinsäure (8 %). Eine Untersuchung des Preisrabatts zeigte eine – wenn auch schwache – Korrelation zwischen der Zusatznutzenkategorie und dem verhandelten Rabatt. Es wurde der Trend beobachtet, dass eine bessere Zusatznutzenkategorie mit einem niedrigeren Rabatt assoziiert war. Der Budget Impact hochpreisiger Arzneimittel erreichte 2016 mit rund 6 Milliarden Euro einen Höchststand. Seitdem sind diese Zahlen jedoch rückläufig. Obwohl der Budget Impact der teuersten Arzneimittel im Laufe der Jahre abnahm, ist die wirtschaftliche Belastung durch diese Produkte insgesamt beträchtlich und hat erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem. Es bleibt unklar, ob die Kosten dieser innovativen Produkte in einem angemessenen Verhältnis zum gesundheitlichen Nutzen stehen und wie die GKV mit der Herausforderung dieser immer größer werdenden Nische umzugehen gedenkt.