Ein Leben mit Mukoviszidose - alles andere als „normal“
Rare Disease Day 2022
Seit 2016 wird Mukoviszidose meistens in den ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes festgestellt, denn seitdem wird Mukoviszidose routinemäßig im Neugeborenenscreening untersucht. Ein positiver Befund wird darauffolgend mit einem Schweißtest bestätigt. Die Diagnose eines Kindes ist für die gesamte Familie lebensverändernd: „Schock, Verzweiflung und das Gefühl der Überforderung durchleben viele Familien, wenn sie die Diagnose Mukoviszidose erhalten."Durch die nötige, zeitaufwändige Behandlung, die niedrige Lebenserwartung, die häufigen Verdauungsstörungen und Atemnot sowie das ständige Risiko einer Verschlimmerung der Erkrankung ist das Leben eines Mukoviszidose-Patienten anders als „normal", wie auch eine Patientin beschreibt: „Egal wie glücklich und schön ein Moment ist, der Tod steht immer in einer Ecke des Zimmers und ich kann ihn sehen."
Mukoviszidose ist eine Stoffwechselerkrankung, bedingt durch eine angeborene Mutation im sogenannten Mukoviszidose-Gen, dem „Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator Gen" (CFTR-Gen). Das CFTR-Gen kodiert für ein Protein, das auf der Oberfläche einiger Zellen als Kanal wirkt. Dieser Kanal dient dazu, dass Salz und Wasser in die Zellen strömen können. Bei einem Defekt der Kanäle kommt es zu einem Ungleichgewicht im Salz-Wasser-Haushalt der Zelle, was dann dazu führt, dass der Schleim, der eine Zelle bedeckt, zu wenig Wasser enthält und zäh wird. Der CFTR-Kanal wird nicht in allen Zellen exprimiert, weshalb nur bestimmte Organe betroffen sind wie die Lunge, Galle oder Bauchspeicheldrüse. Die Erkrankung tritt nur auf, wenn beide CFTR-Gene betroffen sind, weshalb unerkannte Merkmalsträger die Mutation weitergeben können.
Inzwischen sind etwa 2.000 unterschiedliche Mutationen des CFTR-Gens bekannt, was zu verschiedenen Arten von Defekten führt, aufgrund derer die Patientinnen und Patienten in Gruppen eingeteilt werden. Die Mutation kann bewirken, dass gar kein Kanal entsteht, der Kanal einen Defekt hat und deshalb von den Kontrollmechanismen der Zelle wieder abgebaut werden, fehlerhafte CFTR-Kanäle eingebaut werden oder die Kanäle auch ohne Defekt vorzeitig wieder abgebaut werden. Die Folge ist jedoch immer die gleiche: Innerhalb der Zelle bleibt mehr Salz zurück als außerhalb, weshalb der Zelloberfläche mehr Wasser entzogen wird, welches in die Zelle fließt. Daraus resultiert, dass der für die Funktion der betroffenen Organe sehr wichtige Flüssigkeitsfilm außerhalb der Zelle trockener und zäher ist als der von gesunden Menschen. Dieser zähe Schleim ist charakteristisch für Mukoviszidose-Patientinnen und Patienten, was sich in unterschiedlichen Symptomen äußert. Die meisten Betroffenen leiden vor allem unter Funktionsstörungen der Atemwege, Verdauungssysteme und einem hohen Salzverlust über den Schweiß. Konkret heißt das für die Betroffenen, dass sie ständig Husten müssen, häufig Atemnot haben und ihre Nahrung schlecht verdauen können. Die Patientinnen und Patienten leiden häufig an Bauchschmerzen, Verstopfung und starkem Untergewicht.
Bis 2012 konnten die Patientinnen und Patienten rein symptomatisch behandelt werden. Die Einnahme von Verdauungsenzymen zu jedem Essen in Verbindung mit gezielter Ernährungstherapie hilft gegen die Verdauungsschwierigkeiten. Um die Atemwegsstörungen zu behandeln, wird Inhalationstherapie und Physiotherapie angewendet. Darmverschlüsse, wiederkehrende Infekte und Lungenentzündungen sind für den Mukoviszidose-Patienten "Gefahren des Alltags". Bei zu starker Schädigung der Lunge muss eine Transplantation als Therapie in Erwägung gezogen werden.
Seit 2012 sind glücklicherweise die ersten CFTR-Modulatoren zugelassen, die das Salz-Wasser Gleichgewicht verbessern. Inzwischen sind bereits vier Medikamente in Deutschland auf dem Markt, diese wirken allerdings nur für bestimmte Mutationsarten und sind nicht für jede Altersklasse zugelassen. Um die Krankheitsursache aller 8.000 in Deutschland lebenden Mukoviszidose Patientinnen und Patienten behandeln zu können, sind weitere Medikamente notwendig. Deshalb ist es trotz vorhandener Therapie und gut etabliertem Diagnose-Weg notwendig, die Aufmerksamkeit für Seltene Erkrankungen wie Mukoviszidose zu steigern.
Quellen:
Pari: Leben mit Mukoviszidose - Nicht normal, sondern außergewöhnlich und teils positiver
Pari: Mein Kind hat Mukoviszidose - Wie Eltern mit der Diagnose umgehen
Mukoviszidose e.V. - Welche Symptome können bei Mukoviszidose / Cystischer Fibrose auftreten?
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