PNH – Das Chamäleon der Hämatologie
Rare Disease Day 2022
Der Vielseitigkeit und dem individuell sehr variablen Auftreten dieser Symptome geschuldet wurde die Erkrankung, um die es hier gehen soll, schon vielfach als das „Chamäleon der Hämatologie bzw. der inneren Medizin" bezeichnet: Die Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie, kurz PNH.
Denn wie auch ihr tierischer Namensvetter tarnt sich die PNH somit äußerst geschickt und bleibt daher häufig für lange Zeit unerkannt. Damit birgt die PNH wie auch andere besonders seltene Erkrankungen noch eine zusätzliche Last, bis es zu einer erfolgreichen Diagnose kommt: Eine Hilflosigkeit, die vorliegende Erkrankung nicht erkennen zu können – auf Seite des Patienten wie auch des Mediziners.
Kommt es jedoch erst einmal zu dem Verdacht einer PNH, kann heute erfreulicherweise mit modernen durchflusszytometrischen Methoden eine eindeutige Diagnose gestellt werden. Verursacht wird die PNH durch eine somatisch erworbene Genmutation in den blutbildenden Stammzellen: Durch die Mutation des PIGA-Gens entstehen Blutzellen, die sich an ihrer Zelloberfläche nicht mehr richtig ausweisen können und daher von dem Komplementsystem, einem archaischen Teil des Immunsystems, nicht mehr als körpereigen erkannt und in der Folge zerstört werden.
Da insbesondere die roten Blutzellen empfindlich gegenüber dem Komplementsystem sind, kommt es bei einer PNH daher zu einer teils ausgeprägten Hämolyse. Durch die Freisetzung von Hämoglobin aus den zerstörten roten Blutzellen, den Erythrozyten, kommt es zu klinisch unterschiedlichsten Symptomen sowie auch der namengebenden Hämoglobin-Anreicherung im Urin, die zu dessen auffällig dunkler Färbung führt. Zwar findet dieser Prozess entgegen früherer Vermutung nicht nur nachts statt, doch kann diese Färbung am frühen Morgen intensiver ausfallen aufgrund der nächtlichen Aufkonzentrierung des Urins. Zudem kann es zu anfallsartigen („paroxysmalen") hämolytischen Krisen kommen, welche zum Beispiel durch Infektionen getriggert werden können.
Bis vor etwa 15 Jahren wurde die PNH ausschließlich supportiv behandelt, wobei bis zu 35% der Patienten innerhalb von fünf Jahren nach Diagnosestellung verstarben. Die Entwicklung eines therapeutischen Ansatzes zur spezifischen Inhibierung des Komplementsystems konnte diese Situation jedoch deutlich verbessern und den Patienten zum Erreichen einer normalen Lebensdauer verhelfen. Auch die Lebensqualität der unbehandelt oft schwer belasteten Betroffenen konnte sich hierdurch deutlich verbessern. Die Komplementinhibition wurde zudem weiterentwickelt und ermöglicht den PNH-Patienten dadurch seit wenigen Jahren eine noch bessere Integration des notwendigen Behandlungsregimes in ihren Lebensalltag.
Es erscheint somit von ausschlaggebender Bedeutung, dass höchst seltene Erkrankungen wie die PNH frühzeitig erkannt werden und eine notwendige Therapie damit so früh wie möglich initiiert werden kann. Wichtig für Neuerkrankte oder bislang nicht diagnostizierte Patienten mit solch seltenen Erkrankungen ist somit, dass diese stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung und der Mediziner gerückt werden. So können lange Leidenswege bis zur Diagnose verkürzt werden und das Risiko des Auftretens lebensgefährlicher Ereignisse sinkt.
Die SKC-Beratungsgesellschaft mbH hat sich der Unterstützung des Marktzugangs innovativer Arzneimittel für Patienten mit bislang fehlenden oder unzureichenden Therapieoptionen verschrieben und beschäftigt sich dabei besonders intensiv mit seltenen Erkrankungen. Wir möchten somit anlässlich des Rare Disease Days am 28. Februar mit diesem Artikel ebenso einen Beitrag leisten, um PNH bekannter zu machen – damit sie nicht das unerkannte Chamäleon bleibt, als das sie beschrieben wurde.
Quellen:
- Hillmen P, Lewis SM, Bessler M, Luzzatto L, Dacie JV. Natural history of paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. N Engl J Med. 1995;333(19):1253-8.
- Schrezenmeier H, Maciejewski JP, Roeth A, Araten DJ, Kanakura Y, Larratt L, et al. Analysis of Baseline Clinical Characteristics and Disease Burden in Patients Enrolled in the International Paroxysmal Nocturnal Hemoglobinuria Registry. 2017;130(Suppl 1):3488.
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO). Onkopedia Leitlinie: Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH). 2019.
- Luzzatto L. Clonal Origin and Clonal Selection in PNH. Paroxysmal Nocturnal Hemoglobinuria: Springer; 2017. p. 197-213.
* Die Bezeichnungen Betroffener / Patient / Patienten richten sich an alle Personen unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung.
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