Genetisch-bedingte Adipositas

Die seltene Erkrankung unter den Volkskrankheiten

Do, 08.02.2024
Adipositas ist ein weltweites, gesamtgesellschaftliches Gesundheitsproblem, dessen Relevanz in den letzten Jahrzehnten insbesondere in Industrieländern, einschließlich Deutschland, stark zugenommen hat.

Insgesamt 52,7 % der Deutschen sind von Übergewicht betroffen, wobei die Adipositasprävalenz (BMI ≥ 30 kg/m2) für beide Geschlechter bei 19 % liegt. Ohne aktives Entgegenwirken wird prognostiziert, dass im Jahr 2035 weltweit jeder zweite Mensch übergewichtig und jeder vierte adipös sein wird. Diese hohen Prävalenzen und die mit Adipositas verbundenen Folgeerkrankungen belasten nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch die Gesundheits- und Sozialsysteme, weshalb entsprechende Behandlungen oder Präventionsprogramme zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Genetisch-bedingte Adipositas

Etwa 5% der schweren Fälle von Adipositas werden durch eine Genmutation verursacht. Diese Formen genetisch bedingter Adipositas werden in monogene und syndromische Adipositas unterteilt. Monogene Adipositas tritt oft aufgrund von Mutationen im Leptin-Melanocortin-Signalweg auf, der die Appetitregulation steuert, und ist durch frühkindlich auftretendes schweres Übergewicht gekennzeichnet. Bei der syndromischen Adipositas treten neben dem übermäßigen Übergewicht oft weitere dysmorphe Merkmale, Organanomalien oder Entwicklungsstörungen auf. Ein Beispiel dafür ist das Bardet-Biedl-Syndrom.

Das Bardet-Biedl-Syndrom

Das Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) ist eine multisymptomatische seltene genetische Erkrankung, zu dessen Hauptsymptomen unter anderem eine schwere Adipositas gehören. Weitere häufige Symptome sind Polydaktylie, Entwicklungsstörungen sowie Hypogenitalismus. Hinzu kommen oft bereits in der kindlichen Entwicklung eine progrediente Einschränkung der Nierenfunktion bis hin zur Dialysepflichtigkeit und der Notwendigkeit einer Nierentransplantation. Bei nahezu allen Betroffenen tritt eine Form von Adipositas auf, die oftmals bereits im Babyalter bemerkbar ist. Diese syndromische Adipositas bei BBS-Patienten ist, ähnlich wie bei der monogenen Adipositas, auf ein fehlendes Sättigungsgefühl und eine dadurch bedingte unkontrollierte und übermäßige Nahrungszufuhr (Hyperphagie) zurückzuführen. Diese Hyperphagie stellt nicht nur eine wesentliche Beeinträchtigung des Lebens dieser Patienten dar, sondern kann langfristig auch zu sozialer Isolation führen und die persönliche Bildung und Berufstätigkeit stören. Darüber hinaus geht die Adipositas mit einem erheblichen kardiovaskulären Risiko einher, was wiederum zu weiteren Co-Morbiditäten beitragen kann.

Die Diagnose des BBS stellt aufgrund der Vielzahl an Symptomen mit variierenden Ausprägungen oftmals eine Herausforderung dar. Besonders bei Säuglingen und Kindern im Vorschulalter können nur vereinzelte Symptome, wie beispielsweise Polydaktylie oder Nierenanomalien, vorhanden sein. Dies kann dazu führen, dass die korrekte Diagnose teils viele Jahre verzögert gestellt wird und die Patienten in der Regel eine lange Historie unterschiedlicher Behandlungen durchlaufen, ohne dass eine nennenswerte Verbesserung der Erkrankung erreicht wird.

Therapie des Bardet-Biedl-Syndroms

Eine ursächliche Therapie oder eine Therapie gegen das gesamte Symptomspektrum des BBS gibt es aktuell nicht, aber es wird intensiv an einer möglichen Gentherapie geforscht. Umso wichtiger ist deshalb eine regelmäßige medizinische Betreuung, denn Zustände wie Bluthochdruck, erhöhte Blutzuckerwerte, Vitamin- und Hormonmangel können effektiv behandelt werden. Würden diese Zustände unbehandelt bleiben, können sie zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen. Das krankhafte Übergewicht und die damit verbundenen Probleme können teilweise durch eine gesunde, kalorienarme Ernährung und regelmäßige Bewegung positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus wurde vor einigen Monaten ein neues Medikament zugelassen, das als erste und einzige kausale Therapie gegen den spezifischen Gendefekt wirkt, der das Sättigungszentrum außer Kraft setzt. Studien dazu konnten zeigen, dass dies bei vielen Patienten zu einem deutlich reduzierten Hungergefühl und folglich zu einer erheblichen Gewichtsreduktion führt. Zumindest in dieser Hinsicht ermöglicht eine neue medikamentöse Therapie den betroffenen Patienten eine verbesserte Lebensqualität und Teilhabe am Leben – auch mit der Last einer Rare Disease.

Als Strategieberatung im Gesundheitswesen setzt sich die SKC Beratungsgesellschaft dafür ein, dass neue Medikamente für seltene Erkrankungen Zugang zum deutschen Markt bekommen und somit die Versorgung betroffener Patienten verbessert werden kann. Deshalb berichten wir in dieser Blogserie zum Rare Disease Day über ausgewählte seltene Erkrankungen, um das Bewusstsein und die Wahrnehmung für diese zu stärken.

Quellen:

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner  Tim Ebbecke, Ph.D.
Tim Ebbecke, Ph.D.
M.Sc. Biologie
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