Medizinforschungsgesetz

Vertrauliche Erstattungsbeträge in Deutschland nur noch für den Einzelfall attraktiv

Fr, 12.07.2024
Erstmalig wird durch das Medizinforschungsgesetz die Möglichkeit zur Vereinbarung vertraulicher Erstattungsbeträge in Deutschland regulatorisch fixiert, die neue Handlungsmöglichkeiten für pharmazeutische Unternehmen schaffen können, jedoch an anspruchsvolle Herausforderungen gebunden sind.

Temporäre Möglichkeiten für geheime Erstattungsbeträge

Die in den frühen Entwürfen des Gesetzes zunächst formulierten Regelungen zur Vereinbarung „geheimer Preise“ wurden nach umfassender Kritik, insbesondere der Krankenkassen, durch Änderungsanträge angepasst und herausfordernd ausgestaltet.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit eines vertraulichen Erstattungsbetrages für pharmazeutische Unternehmer nur ab dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit neuen Wirkstoffen. Jedoch wird die Möglichkeit zur Wahl eines vertraulichen Erstattungsbetrags auf einen Zeitraum bis zum 30. Juni 2028 begrenzt. Für Arzneimittel, für die ein Erstattungsbetrag nach diesem Datum vereinbart oder festgesetzt wird, wird diese Option also nicht mehr bestehen. Auch ist der Bestandsmarkt nach wie vor von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Zusätzlich muss der pharmazeutische Unternehmer eine Arzneimittelforschungsabteilung in Deutschland und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nachweisen, um die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages wählen zu dürfen. Die Entscheidung darüber, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, obliegt dem GKV-Spitzenverband bzw. der Schiedsstelle bei negativer Entscheidung des GKV-SV. Es ist jedoch unklar, welche Nachweise pharmazeutische Unternehmer erbringen müssen und nach welchen Kriterien der GKV-SV bzw. die Schiedsstelle über die Erfüllung dieser Voraussetzungen entscheiden werden.

Im Falle der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages, die auf Antrag des pharmazeutischen Unternehmers erst in Anspruch genommen werden kann, nachdem ein Erstattungsbetrag verhandelt oder durch die Schiedsstelle festgesetzt worden ist, wird ein zusätzlicher verpflichtender Abschlag von 9% auf den nach §130b SGB V verhandelten bzw. festgesetzten Erstattungsbetrag fällig. Neben diesem nun verpflichtenden Abschlag sieht das Gesetz nach wie vor die Rückerstattung der zu viel entrichteten Großhandelszuschläge und Apothekenabschläge nach Arzneimittelpreisverordnung sowie der von den Krankenkassen zu viel entrichteten Umsatzsteuer vor. Damit wird die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages wahrscheinlich für die meisten pharmazeutischen Unternehmen wirtschaftlich so unattraktiv, dass es in nur wenigen Fällen vertrauliche Erstattungsbeträge geben wird.

Außerdem wurde im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots insofern nochmals nachgeschärft, dass die von Vertragsärzten für die Verordnung genutzten elektronischen Programme nun verpflichtend Angaben bezüglich der Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels im Vergleich zu konkurrierenden Produkten beinhalten müssen. Somit stellt die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages nicht automatisch die Wirtschaftlichkeit her, sodass auch die strategische Bedeutung der Vertraulichkeit im Hinblick auf eine bessere Marktdurchdringung kaum noch gegeben ist.

Fazit

Aufgrund der wirtschaftlichen Einbußen ist eine genaue Analyse der Chancen und Risiken der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages im Einzelfall für das Verständnis der Implikationen für den Business Case essenziell. Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß pharmazeutische Unternehmen diese Möglichkeit nutzen und wie der GKV-SV und die Schiedsstelle die im Gesetz genannten Voraussetzungen für die Möglichkeit eines vertraulichen Erstattungsbetrages definieren werden. Mit der nun gültigen Ausgestaltung der Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge in Deutschland ist jedoch davon auszugehen, dass öffentlich sichtbare Erstattungsbeträge auch weiterhin den Regelfall für Arzneimittel auf dem deutschen Markt darstellen werden.

Quellen:

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner  Lukas Heinrich Schoppmeyer
Lukas Heinrich Schoppmeyer
M. Sc. Wirtschaftswissenschaft
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