Von "Vertrauensbruch" bis "Angst vor Marktrücknahmen"
Kabinettsentwurf des GKV-FinStG ist veröffentlicht
"Der KBV-Vorstand betrachtet den im Kabinett verabschiedeten Entwurf des GKV-FinStG als Vertrauensbruch seitens der Politik." Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
"Bundesregierung dreht Innovationen den Hahn.", "BAH fürchtet Marktrücknahmen", "Als einziger Wirtschaftszweig haben wir keine Möglichkeit, Kostensteigerungen weiterzugeben. [...] Der heute vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes schwächt den Pharmastandort Deutschland und somit eine sichere Arzneimittelversorgung gerade in Krisenzeiten." Pharma associations
"Verbände fordern: Nun muss das Parlament die Reißleine beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ziehen." Payer associations
"Der heutige Kabinettsbeschluss eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes zielt nach wie vor nur auf kurzfristige Entlastungseffekte." GKV-Spitzenverband (GKV-SV)
Fazit: Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat sich offenbar gegen Bundesfinanzminister Lindner durchgesetzt, der Kabinettsentwurf entspricht nahezu exakt dem kürzlich vorgelegten 2. Referentenentwurf.
Thema | Vorgeschlagene Gesetzesänderung | Änderung seit dem 2. Referentenentwurf |
Orphan Drug Privilegien | Die maximale jährliche Umsatzschwelle für den Verlust des Orphan-Drug-Privilegs im Rahmen des AMNOG-Prozesses wird von 50 Mio. EUR auf 20 Mio. EUR gesenkt (für Medikamente, die derzeit bei 20-50 Mio. EUR liegen, muss ein neues Dossier eingereicht werden, wobei der G-BA eine nicht näher definierte Übergangsfrist einräumt, etwa für Beratungen und Dossiererstellungen). | Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Freie Preisgestaltung | Der Zeitraum der freien Preisgestaltung für innovative Arzneimittel, die im Rahmen des AMNOG-Verfahrens bewertet werden, wird auf sechs Monate verkürzt. Der verhandelte §130b SGB V-Rabatt gilt ab dem ersten Tag des 7. Monats - dies gilt auch für erneute Preisverhandlungen. Alle bisherigen Vereinbarungen (und Schiedssprüche) bleiben zunächst unberührt, solange kein neuer Erstattungsbetrag vereinbart wird. |
Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Kombinationsprodukte | Für neu eingeführte, innovative Arzneimittel wird ein Preisnachlass von 20% für Kombinationsprodukte eingeführt. „Alte" G-BA-Beschlüsse sind innerhalb von 6 Monaten hinsichtlich des Kombinationseinsatzes zu ergänzen. | Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Verwurf | Mehr als 20% Verwurf durch unwirtschaftliche Packungsgrößen werden in Form eines Rabatts auf den verhandelten Preis angerechnet. | Bestätigt, keine Änderung. |
Preismoratorium | Das Preismoratorium wird bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. | Bestätigt, keine Änderung. |
Apothekenabschlag | Der Apothekenabschlag wird für einen Zeitraum von zwei Jahren auf 2 EUR erhöht. | Bestätigt, keine Änderung. |
Mengenbezogene Aspekte | Mengenbezogene Aspekte, wie z.B. Mengenstaffelungen oder Jahreshöchstmengen, genauso wie das Gesamtausgabenvolumen des Arzneimittels müssen Bestandteil von Preisverhandlungsverträgen nach § 130b SGB V sein. | Bestätigt, keine Änderung. |
Kein Zusatznutzen | Kein Zusatznutzen: Die Jahrestherapiekosten sind mindestens 10% unter der wirtschaftlichsten Vergleichtstherapie einzuordnen ("Muss-Regelung"). Wurde eine zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) ohne Patent-/Unterlagenschutz festgelegt, soll ein Erstattungsbetrag vereinbart werden, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die zVT („Soll-Regelung"). | Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Kein Zusatznutzen aufgrund begrenzter Evidenz | Kein Zusatznutzen aufgrund begrenzter Evidenz oder unvollständigem Dossier führt zu einer deutlichen Senkung der Jahrestherapiekosten im Vergleich zum wirtschaftlichsten Komparator ("Muss-Regelung"). | Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen | Geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen: Die Jahrestherapiekosten dürfen nicht höher sein als die des wirtschaftlichsten Komparators ("Muss-Regelung "). | Bestätigt, weiter spezifiziert. |
Zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) | Wenn die wirtschaftlichste zVT ein Generikum ist, gelten die Kostenschwellen (siehe oben) nicht. | Gelöscht. |
Anwendungsbegleitende Datenerhebung | Werden die Anforderungen der anwendungsbegleitenden Datenerhebung nicht erfüllt, müssen die Jahrestherapiekosten unter dem ursprünglich verhandelten Preis liegen. | Bestätigt, keine Änderung. |
Patentgeschützte zVTs oder vergleichbares Arzneimittel (vAM) | Wenn die zVT oder ein vAM nicht das AMNOG-Verfahren durchlaufen hat, aber noch patentgeschützt ist, müssen die Jahrestherapiekosten des Wirkstoffs um 15% reduziert werden. | Bestätigt, keine Änderung. |
Kündigungsfrist | Die Standardkündigungsfrist für alle Erstattungsbetragsvereinbarungen beträgt 3 Monate. | Bestätigt, keine Änderung. |
Verpflichtender Herstellerabschlag | Der verpflichtende Herstellerabschlag, insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel nach § 130a ("allgemeiner Herstellerabschlag") wird um 5 Prozentpunkte auf 12% erhöht. Falls der Rabatt „abgelöst" wurde, wird um 5% rabattiert. | Neu hinzugefügt. |
Solidaritätsbeitrag | Die pharmazeutische Industrie zahlt in 2023 und 2024 einen Solidaritätsbeitrag in Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr - aufgeteilt nach dem Ausgabenvolumen für alle patentgeschützten Arzneimittel und Orphan Drugs der gesetzlichen Krankenkassen im vorangegangenen Kalenderjahr. | Durch die Erhöhung des Herstellerabschlags abgelöst. |
Das GKV-FinStG zielt auf eine erhebliche Kostensenkung für das System ab – mit nahezu ausnahmsloser Kritik von allen Seiten. Allerdings hat die FDP bereits deutlich gemacht, dass sie das Gesetz im anstehenden parlamentarischen Verfahren ändern will. Der Kabinettsentwurf durchläuft im Bundestag in der Regel drei Beratungen - die so genannten "Lesungen", die öffentliche Plenarsitzungen, intensive Diskussionen in Fachausschüssen und eine abschließende Abstimmung über das (möglicherweise angepasste) zukünftige Gesetz umfassen.
Wie bereits erwähnt, ist es wahrscheinlich, dass der Kabinettsentwurf im Laufe des anstehenden parlamentarischen Verfahrens noch angepasst bzw. abgemildert wird. Dennoch empfehlen wir als SKC, den Änderungen voraus zu sein und die strategischen Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen auf Ihre individuelle Situation sorgfältig zu prüfen. Wie gewohnt werden alle politischen Meinungen und möglichen Veränderungen kontinuierlich beobachtet und direkt in unserem täglichen Beratungsgeschäft umgesetzt.
Quellen:
- Tagesspiegel Background
- Vdek: Verbände fordern: Nun muss das Parlament die Reißleine beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ziehen
- GKV-SV@Twitter
- Kassenärztliche Bundesvereinigung@Twitter
- Vfa: Bundesregierung dreht Innovationen den Hahn zu
- Deutsche Apothekerzeitung: Innovationen und Investitionen sind gefährdet
- BPI: GKV-FinStG: Kabinett setzt falsche Signale für eine sichere Arzneimittelversorgung
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