EU-HTA auf dem richtigen Weg?

Leitlinienentwicklung für die europäische Bewertung von Gesundheitstechnologien

Mi, 01.02.2023
Erkenntnisse aus dem Public Consultation-Prozess zu den EU-HTA-Leitfäden unter EUnetHTA 21

Am 12.01.2025 beginnt die Umsetzung der EU-HTA-Verordnung für Onkologika und Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP). Um bis dahin eine reibungslose Umsetzung der Inhalte der Verordnung zu gewährleisten, wurde EUnetHTA 21, ein Konsortium nationaler HTA-Gremien, mit der Ausarbeitung von Leitfäden (Deliverables) beauftragt, in denen die methodischen und verfahrenstechnischen Einzelheiten des EU-HTA-Verfahrens beschrieben werden.

Vor der Veröffentlichung der endgültigen Fassung einer jeden Deliverable wird ein öffentliches Anhörungsverfahren (Public Consultation) durchgeführt, bei dem Interessengruppen einen Entwurf des Dokuments kommentieren und Änderungen empfehlen können. Als Teil des EUnetHTA 21 Stakeholder-Netzwerks ist SKC in die Public Consultation-Prozesse aller für unsere Klienten relevanten Deliverables involviert.

Mit der Veröffentlichung der Deliverables D4.3.1 "Practical guideline for direct and indirect comparisons", D4.5 "Practical guideline on applicability of evidence", D4.6 "Practical guideline on validity of clinical studies", D5.1 "Guidance for submission dossier" und D5.2 "Guidance for JCA report" am 16.12.2022 und D4.4 "Endpoints" am 26.01.2023 sind nun über die Hälfte der Deliverables, die einen Public Consultation-Prozess durchlaufen, in ihrer finalen Version erschienen.

Überblick über den Status der EunetHTA 21 Deliverables, die einen Public Consultation- Prozess durchlaufen (Stand: 01.02.2023)

Deliverable Titel Status
D4.2 Scoping Process Veröffentlicht
D4.3.1/2 Practical/ Methodological Guideline on Direct and indirect comparisons Veröffentlicht (verspätet)
D4.4 Endpoints Veröffentlicht (verspätet)
D4.5 Applicability of evidence Veröffentlicht (verspätet)
D4.6 Validity of clinical studies Veröffentlicht (verspätet)
D4.7.1/2 Assessment of High-Risk Medical Devices Veröffentlicht
D5.1 JCA/CA Submission Dossier Template Veröffentlicht (verspätet)
D5.2 JCA/CA Assessment Report Template Veröffentlicht (verspätet)
D5.3.1/2 Procedural guidelines for appointing assessors and co-assessors; HTAb technical expert working groups Veröffentlicht
D4.7.3/4 EUDAMED data reporting template / Guidance for EUDAMED-based TISP process Public Consultation-Prozess planmäßig abgeschlossen, Veröffentlichung der finalen Version verspätet
D7.1.1/2/3 Guidance for the interaction between HTD and HTA (for JCA and JSC) Public Consultation-Prozess planmäßig abgeschlossen, Veröffentlichung der finalen Version verspätet
D7.2/3 Guidance and template for the interaction with patient representative, healthcare professional and other experts Public Consultation-Prozess planmäßig abgeschlossen, Veröffentlichung der finalen Version verspätet
D6.2/3/4 JSC Template Briefing Book, Template JSC Report Procedural Guidance JSC Public Consultation-Prozess ausstehend (01.-31. August 2023)

Vergleich der zuletzt veröffentlichten Deliverbales

Ein Vergleich der zuletzt veröffentlichten Deliverbales mit ihren entsprechenden Entwürfen ergab im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse:

  • Ähnlich wie bei Deliverable D4.2 führte der Public Consultation-Prozess nicht zu bedeutenden Änderungen der Dokumente – die angenommenen Kommentare bezogen sich meist auf Formulierungsfragen (z.B. wurde in Deliverable D4.3.1 Effectiveness: describes how well a treatment works in practice; [...]" in „Effectiveness: describes how well a treatment works in patients; [...]" geändert).
  • Die zahlreichen Kommentare, die eine europaweit einheitliche Methodik insbesondere im Hinblick auf statistische Anforderungen forderten, wurden über mehrere Deliverables hinweg abgewiesen. Daraus wird ersichtlich, dass EUnetHTA 21 nicht darauf abzielt, einen konsolidierten paneuropäischen EU-HTA-Prozess zu entwickeln. Stattdessen werden die individuellen Anforderungen der einzelnen Mitgliedsstaaten schlicht gesammelt und müssen von den pharmazeutischen Unternehmen gleichzeitig adressiert werden.
  • Auch die Vielzahl an Kommentaren, in denen eine besondere Berücksichtigung der Herausforderungen gefordert wurde, denen Orphan Drugs und ATMPs bei der Durchführung klinischer Studien und der Generierung von Evidenz gegenüberstehen, blieben ebenfalls unberücksichtigt. Stattdessen bekräftigte EUnetHTA21 seine Auffassung, dass einarmige Studien nicht mit den Grundsätzen der EU-HTA-Verordnung vereinbar sind ("The HTAR clearly defines JCA as 'the scientific compilation and the description of a comparative analysis of the available clinical evidence on a health technology in comparison with one or more other health technologies or existing procedures' (Article 2). Considering the above, we reaffirm that individual uncontrolled studies (single-arm trial, case-series for example) are of limited value in the HTAR context, because they cannot allow a comparative/relative evaluation, which is the cornerstone of HTA, as reminded in the HTAR (Article 2 and 9)."- D4.6 Public consultation comments and responses). Wenn Schlüsselstudien für Orphan Drugs und ATMP als einarmige Studien konzipiert werden, liegt dies jedoch nicht an einer Präferenz der pharmazeutischen Unternehmen, sondern daran, dass eine geringe Krankheitsprävalenz und/oder -inzidenz in Kombination mit ethischen Bedenken ein anderes Studiendesign nicht zulässt. Ethische Erwägungen und die praktische Durchführbarkeit von Studien werden demnach bei der Gestaltung der EU-HTA-Leitfäden nicht berücksichtigt. Obwohl es weiterhin den einzelnen Mitgliedstaaten obliegen wird, ob sie einarmige Studien für die Nutzenbewertung einer neuen Gesundheitstechnologie akzeptieren, ist es schwer vorstellbar, dass ein vernichtendes Urteil über die Evidenz im europäischen Bericht zu einer gemeinsamen klinischen Bewertung (Joint Clinical Assesment, JCA) keine negativen Auswirkungen auf den nationalen HTA-Prozess für diese Gesundheitstechnologien haben wird.

Ein Pro-forma-Verfahren?

Betrachtet man die fehlende Berücksichtigung von Kommentaren und ihre oft unzureichend begründete Ablehnung bei der Erstellung der zuletzt veröffentlichten finalen Deliverables, erhärtet sich der Eindruck, dass der Public Consultation-Prozess lediglich ein Pro-forma-Verfahren ist, ohne die ernsthafte Absicht, Interessengruppen einzubeziehen und gemeinsam ein effizientes und sinnvolles EU-HTA zu gestalten.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass es noch zu Anpassungen der Inhalte der Deliverables kommt, wenn sie von der Europäischen Kommission (EC) durch die für das vierte Quartal 2024 geplanten Implementing Acts übernommen werden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob es hierbei signifikante Änderungen geben wird, da eine Arbeitsgruppe der EC bereits jetzt in den Reviewprozess der Deliverables involviert gewesen ist. Um die dringend notwendigen Änderungen dennoch zu bewirken, werden verschiedene Interessengruppen derzeit zunehmend aktiv. So hat der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI) zusammen mit dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ein Positionspapier veröffentlicht, in dem der aktuelle Stand des EU-HTA-Prozesses kritisiert wird. Zudem hat EUCOPE angekündigt, sich gemeinsam mit der European Expert Group of Orphan Drug Incentives dafür einzusetzen, dass der EU-HTA-Prozess nicht zu einer zunehmenden Diskriminierung von Orphan Drugs führen wird.

We are the market access special forces.

Angesichts dieser Entwicklungen wird immer deutlicher, dass für den erfolgreichen Marktzugang einer neuartigen Gesundheitstechnologie unter der EU-HTA-Verordnung die Ausarbeitung einer fundierten Value Story für ganz Europa, eine frühzeitige Gap-Analyse und die Entwicklung einer schlüssigen Strategie, um mögliche Evidenzlücken sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zu adressieren, entscheidende Erfolgsfaktoren seien werden.

Wenn Sie daran interessiert sind, diese Entwicklungen im EU-HTA-Prozess und die potenziellen Auswirkungen auf Ihr Produkt zu diskutieren, wenn Sie einen strategischen Sparringspartner suchen, um die EU-HTA-Strategie Ihres Unternehmens zu optimieren, oder wenn Sie nach strategischer und operativer Unterstützung für die Vorbereitung von gemeinsamen wissenschaftlichen Konsultationen (Joint Scientific Consultations, JSC) oder gemeinsamen klinischen Bewertungen (JCA) unter Berücksichtigung aller entscheidenden Erfolgsfaktoren suchen, nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf. Einen detaillierten Vergleich jeder finalen Deliverable mit ihrem entsprechenden Entwurf stellen wir Ihnen gerne auf Anfrage zur Verfügung. We are the market access special forces.

Quellen:

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner  Sebastian  Vinzens
Sebastian Vinzens
M.Sc. Drug Research and Development
Fon: +49 511 64 68 14 – 0
Fax: +49 511 64 68 14 – 18

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