Ein Jahr Preisstrukturmodell
Was bedeutet das für den Erstattungsbetrag nach Ablauf des Patent- und Unterlagenschutzes?
Vor genau einem Jahr, am 1. Mai 2022, wurde die Rahmenvereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer um einen Abschnitt ergänzt um die Gesetzesänderung im § 130b Absatz 8a und 9 des SGB V vom 1. April 2020 umzusetzen. Die Gesetzesänderung legt fest, dass bei Ablauf des Patent- und Unterlagenschutzes der höchstens zulässige Abgabepreis für ein Arzneimittel der zuletzt gültige Erstattungsbetrag ist. Die Rahmenvereinbarung definiert nun die dafür notwendigen Bestimmungen für die Verhandlungen eines Preisstrukturmodells (PSM) zwischen dem Originator und dem GKV-SV. Das PSM ermöglicht dann Herstellern, die ein wirkstoffgleiches Arzneimittel in Verkehr bringen wollen, den höchstens zulässigen Abgabepreis zu bestimmen. Anlässlich des ersten Jahrestages der Änderung der Rahmenvereinbarung nach § 130b Absatz 9 SGB V, haben wir von SKC die wesentlichen Inhalte sowie die sich ergebenden strategischen Implikationen für die Hersteller von Originalprodukten analysiert.
Knapp über zwölf Jahre liegt die Einführung des AMNOG inzwischen zurück. Daher läuft in den kommenden Jahren der Patent- und Unterlagenschutz für immer mehr AMNOG-Produkte aus und die pharmazeutischen Unternehmer müssen ein PSM mit dem GKV-SV verhandeln. Die Änderung der Rahmenvereinbarung kam jedoch zu spät, bereits vorher sind für 19 AMNOG-Arzneimittel die Schutzrechte ausgelaufen. Für diese Wirkstoffe bestand für Generikahersteller die Möglichkeit, einen höheren Erstattungsbetrag als den des Originalproduktes festzulegen, welches bei Markteintritt allerdings nur bei einem Wirkstoff der Fall war (Cabazitaxel), bei dem dann das Preisniveau schnell wieder nach unten angepasst wurde. In den anderen Fällen waren die Preise der Generikaprodukte auch vor Einführung des PSM grundsätzlich unterhalb des Erstattungsbetrages des Originalproduktes.
Das PSM kann seit dem 1. Mai 2022 innerhalb der regulären Erstattungsbetragsverhandlung oder nachgelagert innerhalb zweier zusätzlicher Termine mit verhandelt werden. Bei Nicht-Einigung folgt ein mögliches Schiedsverfahren. Inhalte, welche im PSM enthalten sein müssen, sind die Pharmazentralnummer (PZN), Bezugsgröße sowie die Anzahl der Bezugsgrößen des Originalproduktes und der geltende Erstattungsbetrag pro Bezugsgröße. Für Packungen von Generika mit gleicher Menge Arzneimittel ist der aktuelle Erstattungsbetrag der höchste zulässige Abgabepreis. Für andere Packungsgrößen wird zusätzlich eine Formel vereinbart, anhand welcher ein Generikahersteller den höchstens zulässigen Abgabepreis seines Produktes berechnen kann. Diese Berechnungen können auf einem linearen (z.B. Preis je Wirkstoffmenge), einem flachen (z.B. Preis je Einheit einer Darreichungsform) oder einem komplexen Modell (z.B. lineares Modell bis zu einem bestimmten Schwellenwert) basieren.
Bis sechs Monate vor dem Wegfall der Schutzrechte muss mit dem GKV-SV ein PSM verhandelt worden sein, da ab dann ein Auskunftsanspruch der Generikahersteller gegenüber dem GKV-SV über das PSM sowie die voraussichtliche Preisobergrenze je Bezugsgröße besteht. Dieser Auskunftsanspruch des Generikaherstellers besteht nur einmal pro Kalenderhalbjahr. Im Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch kein PSM verhandelt worden ist, können dem Generikahersteller keine weiteren Auskünfte gegeben werden. Einen Auskunftsanspruch für die Laufzeit der Schutzrechte besteht lediglich für den GKV-SV gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer, welcher auf Nachfrage innerhalb von vier Wochen über die Laufzeit des Wirkstoffpatentes informieren muss. Dieser Auskunftsanspruch gilt grundsätzlich nicht für andere Hersteller.
Mit dem Wegfall der Schutzrechte entfallen im Rahmen der Erstattungsbetragsverhandlungen beschlossene vertragliche Aspekte wie z. B. die Mengenregelung oder die Ablösung des Herstellerrabatts nach § 130a SGB V. Der zu diesem Zeitpunkt gültige Erstattungsbetrag ist der fortgeltende maximale Erstattungsbetrag, welcher nicht nach oben angepasst werden kann. Daher ist in zukünftigen Erstattungsbetragsverhandlungen vor allem die Thematik des Ablösens des Herstellerrabatts strategisch relevant, wenn ein möglichst hoher fortgeltender Erstattungsbetrag nach Wegfall der Schutzrechte erzielt werden soll. Es besteht für alle Hersteller von Originalprodukten, welche die Erstattungsbetragsverhandlungen vor dem 30.04.2022 abgeschlossen haben, bis zu drei Monate vor Auslauf der Schutzrechte die Möglichkeit zur Bereinigung des Erstattungsbetrags um den Netto-Herstellerabschlag, um einen ab Auslauf der Schutzrechte höheren maximal zulässigen Erstattungsbetrag zu haben.
Mit unserer Erfahrung in über 80 unterschiedlichen Preisverhandlungsverfahren stehen wir Ihnen gerne als kompetenter Partner bei der Ausarbeitung eines Preisstrukturmodells, der Erstellung einer zielführenden Verhandlungsstrategie oder der Vorbereitung und Begleitung einer Preisverhandlung zur Verfügung.
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Über den Autor
Consultant
M.Sc. Wirtschaftswissenschaft
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