Digitale Gesundheits­anwendungen im Fast Track

Bewertung und Erstattung Digitaler Gesundheits­anwendungen (DiGA)

Mi, 20.05.2020
Wie wird eine DiGa bewertet? Wie kommt die digitale Lösung in die Erstattung? Die wichtigsten Anforderungen, Schritte und Fristen für digitale Medizinprodukthersteller im „Fast-Track-Verfahrens" des BfArM

Mit dem am 19.12.2019 in Kraft getretenen Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wurde in der gesetzlichen Krankenversicherung ein neuer Leistungsbereich geschaffen und somit eine niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit für Patienten zur „App auf Rezept" im Sinne eines partizipativen Ansatzes ermöglicht. In diesem Zusammenhang wurde dem Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) die Kompetenz zur Durchführung des Prüfverfahrens für die Zulassung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) übertragen. Das „Fast-Track-Verfahren" ist mit wichtigen Anforderungen und Fristen verbunden, deren Einhaltung elementare Voraussetzung für die flächendeckende Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland ist.

Im ersten Teil unserer Blog-Reihe zum Thema DiGA wurden bereits die allgemeinen Rahmenbedingungen des DVG und der DiGA-V erläutert. In diesem Blog wollen wir detaillierter auf den Ablauf des „Fast-Track-Verfahrens" eingehen unter Einbezug der Konkretisierungen des DiGA-Leitfadens des BfArM.

Zunächst ist es wichtig abzugrenzen, welche digitalen Applikationen nach §33a SGB V grundsätzlich als DiGA eingestuft werden und somit für das „Fast-Track-Verfahren" nach §139e SGB V in Frage kommen. DiGA sind definiert als Medizinprodukte,

  • die der Risikoklasse I oder IIa (nach MDD / MDR (ab dem 25. Mai 2021 mit strengeren Anforderungen an Sicherheit und Qualität)) zuzuordnen sind.
  • deren Hauptfunktion auf der digitalen Technologie (und nicht auf der Beratungsleistung von Leistungserbringern oder auf Hardware-Komponenten) liegen und die einen klaren medizinischen Zweck verfolgen.
  • die der Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Behinderungen (und somit nicht der Primärprävention) dienen.
  • die entweder gemeinsam durch den Patienten und Leistungserbringer oder durch den Patienten genutzt werden (und somit nicht der leistungserbringerseitigen „Praxisausstattung" dienen).

Sind diese Kriterien erfüllt, kann mit dem Antrag auf Aufnahme in das vom BfArM geführte DiGA Verzeichnis der nächste Schritt angestrebt werden. Falls bezüglich der Anforderungen Unklarheiten bestehen, kann ein Beratungsgespräch beim BfArM in Anspruch genommen werden, in welchem Fragen bezüglich des Ablaufs des Verfahrens, sowie inhaltliche und spezifische Anforderungen für das jeweilige Medizinprodukt diskutiert werden können. Die Kosten sind vom Medizinprodukthersteller selbst zu tragen und richten sich nach dem entstandenen Aufwand, hierzu hat das BfArM eine Gebühren-Tabelle veröffentlicht. Eine Beratung kann jedoch nur vor oder nach der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis in Anspruch genommen werden. Beratungen während eines laufenden Bewertungsverfahrens sind nicht zulässig.

Das als Webportal zur Verfügung stehende DiGA-Verzeichnis verfolgt im Wesentlichen das Ziel, eine größtmögliche Transparenz für Krankenversicherungen, Leistungserbringer und Patienten zu schaffen. Das Zulassungsverfahren einer DiGA beginnt mit einem elektronischen Antrag des Medizinproduktherstellers beim BfArM – unter Einhaltung der Digitalisierungs-Prämisse ausschließlich über ein webbasiertes Antragsportal, das ab Mitte Mai freigeschaltet werden sollte. Dies ist jedoch zum heutigen Datum (20.05.20) noch ausstehend. 

Das BfArM hat daraufhin 14 Tage Zeit, den Antrag auf formale Richtigkeit zu überprüfen. Liegt diese vor, beginnt die 3-monatige Bearbeitungsfrist des „Fast-Track-Verfahrens". Im Falle von nicht vollständigen oder fehlerhaften Antragsunterlagen hat das BfArM das Recht, die fehlenden Unterlagen nachzufordern, die anschließend vom DiGA-Hersteller innerhalb von 3 Monaten zu ergänzen sind. Somit beginnt die Bearbeitungsfrist des Prüfverfahrens erst ab dem Vorliegen der vollständigen und formal richtigen Unterlagen.

Im Verlauf des Bewertungsverfahrens prüft das BfArM den Antrag des Herstellers und die Unterlagen zum digitalen Medizinprodukt insbesondere hinsichtlich zweier Aspekte. Zum einen die Anforderungen zu Produkteigenschaften hinsichtlich der Produktsicherheit, der Funktionstauglichkeit, der Qualität (insb. Interoperabilität), des Datenschutzes und der Datensicherheit, die unter anderem durch standardisierte Checklisten (Anlagen 1 und 2 der DiGA-V) nachzuweisen sind. Zum anderen erfolgt eine Prüfung im Hinblick auf positive Versorgungseffekte, die durch die DiGA zwingend im Rahmen von vergleichenden Studiennachweisen zu erbringen sind. Dies kann sich sowohl in einem medizinischen Nutzen wiederspiegeln, wie z.B. in einer Verkürzung der Krankheitsdauer, als auch in nachweisbaren patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturver-besserungen, wie z.B. einer verbesserten Koordination der Behandlungsabläufe oder einer höheren Adhärenz.

Das „Fast-Track-Verfahren" sieht drei mögliche Wege vor. Im ersten Fall sind sowohl die Produktanforderungen erfüllt als auch der Nachweis positiver Versorgungseffekte durch eine abgeschlossene vergleichende Studie erbracht. §139e SGB V sieht in diesem Fall eine endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis vor. Im zweiten Fall liegen noch keine ausreichenden Studiennachweise für positive Versorgungseffekte vor, jedoch sind alle weiteren Produktanforderungen erfüllt. Dies führt zur Beantragung einer vorläufigen Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis, gekoppelt mit einer Erprobungsphase, in der der Medizinprodukthersteller innerhalb von 12 Monaten die Möglichkeit erhält, positive Versorgungseffekte nachzuweisen und unter Vorlage eines geeigneten Evaluationskonzeptes plausibel gegenüber dem BfArM zu begründen. Können in diesem Zeitraum positive Versorgungseffekte nachgewiesen werden, erfolgt eine endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis innerhalb von 3 Monaten nach Einreichung der Studienergebnisse per Bescheid des BfArM. Ist der Nachweis positiver Versorgungseffekte nicht möglich, kann der DiGA-Hersteller drei Monate vor Ablauf der Erprobungsphase eine Verlängerung um weitere 12 Monate unter Einreichung einer plausiblen Begründung beantragen, andernfalls führt der ausbleibende Nachweis zu einer endgültigen Ablehnung der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis seitens des BfArM. Im dritten Fall sind weder die Produktanforderungen erfüllt noch positive Versorgungseffekte nachweisbar, sodass der Medizinprodukthersteller vom BfArM einen direkten Ablehnungsbescheid erhält. Im Falle eines ablehnenden Bescheides ist ein erneuter Antrag zur Aufnahme frühestens nach 12 Monaten möglich.

Gemäß §134 SGB V zählen die ersten 12 Monate nach dem BfArM-Bescheid über die vorläufige oder endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis zur Phase der freien Preisbildung, in der für die DiGA der im Antrag benannte Herstellerpreis gilt. In diesem Zuge können in einer Rahmenvereinbarung zwischen dem GKV-SV und den Herstellerverbänden Höchstpreise für Gruppen vergleichbarer DiGA festgelegt werden. Nach der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis erfolgt eine Preisverhandlung zwischen dem Medizinprodukthersteller und dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV), aus der sich ein verhandelter Preis ergibt. Dieser kann auch erfolgsabhängige Vergütungselemente vorsehen und löst den Herstellerpreis ab. Darüber hinaus führt der verhandelte Preis zu einer Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und ermöglicht somit die ambulante Abrechnungsmöglichkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Kommt es in den 12 Monaten nach der Aufnahme der DiGA in das Verzeichnis nicht zu einer Einigung zwischen dem DiGA-Hersteller und dem GKV-SV aus, entscheidet eine Schiedsstelle innerhalb von 3 Monaten über den festzusetzenden Preis.

Im nächsten Beitrag zu unserer Reihe „Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) im Fast Track" befassen wir uns mit den Herausforderungen, die mit der Bewertung der Versorgungseffekte verbunden sind, und strategischen Fragestellungen für das Antragsverfahren.

Im Zuge des DVG hat sich ein neuer Leistungsbereich für das deutsche Gesundheitswesen entwickelt mit einem Nutzenbewertungs- und Erstattungsverfahren, das klare Fristen und Antragsvoraussetzungen hat, aber auch viele Falstricke, bei deren Umschiffung SKC beratend und operativ unterstützend begleiten kann. In den letzten Jahren hat SKC bereits zahlreiche Projekte im Bereich der Medizintechnik und Pharmaindustrie erfolgreich durchgeführt und somit fundierte Expertise im Bereich des Market Access und der Erstattungsmechanismen neuer Arzneimittel und Medizinprodukte aufgebaut. Zukünftig stehen wir DiGA-Herstellern als kompetenter und verlässlicher Partner zu Themen rund um die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit, Nutzenbewertung, sowie der Entwicklung von Erstattungs- und Preisverhandlungsstrategien von digitalen Applikationen zur Verfügung.

Quellen:

 

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