Verabschiedung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes
Gesetzentwurf wird weitgehend unverändert durchgewunken
Der Gesetzentwurf wurde im Zuge von drei Lesungen vom Bundestag diskutiert, geringfügig adjustiert und nun in der geänderten Fassung angenommen. Von den zahlreichen Kritikpunkten, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme auflistete, fanden nur zwei Aspekte Einzug in den Gesetzesentwurf.
Damit ergeben sich die folgenden wichtigen Anpassungen für Pharmaunternehmen:
Thema | Vorgeschlagene Gesetzesänderung | Änderung seit dem 2. Entwurf |
Orphan Drug Privilegien | Die maximale jährliche Umsatzschwelle für den Verlust des Orphan-Drug-Privilegs im Rahmen des AMNOG-Prozesses wird von 50 Mio. EUR auf 30 Mio. EUR gesenkt (für Medikamente, die derzeit bei 30-50 Mio. EUR liegen, muss ein neues Dossier eingereicht werden, wobei der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine nicht näher definierte Übergangsfrist einräumt, etwa für Beratungen und Dossiererstellungen). | Absenkung der Schwelle auf 30 Mio. EUR anstatt 20 Mio. EUR |
Freie Preisgestaltung | Der Zeitraum der freien Preisgestaltung für innovative Arzneimittel, die im Rahmen des AMNOG-Verfahrens bewertet werden, wird auf 6 Monate verkürzt. Der verhandelte §130b SGB V-Rabatt gilt ab dem ersten Tag des 7. Monats - dies gilt auch für erneute Preisverhandlungen. Alle bisherigen Vereinbarungen (und Schiedssprüche) bleiben zunächst unberührt, solange kein neuer Erstattungsbetrag vereinbart wird. |
Keine Änderung. |
Kombinationsprodukte | Für neu eingeführte, innovative Arzneimittel wird ein Preisnachlass von 20% für Kombinationsprodukte eingeführt. „Alte" G-BA-Beschlüsse sind innerhalb von 6 Monaten hinsichtlich des Kombinationseinsatzes zu ergänzen. Weist das Arzneimittel einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen auf, fällt der Abschlag weg. | Ausnahme von Produkten mit mindestens beträchtlichem Zusatznutzen aus dem Rabatt. |
Verwurf | Mehr als 20% Verwurf durch unwirtschaftliche Packungsgrößen werden in Form eines Rabatts auf den verhandelten Preis angerechnet. | Keine Änderung. |
Preismoratorium | Das Preismoratorium wird bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. | Keine Änderung. |
Apothekenabschlag | Der Apothekenabschlag wird für einen Zeitraum von zwei Jahren auf 2 EUR erhöht. | Keine Änderung. |
Mengenbezogene Aspekte | Mengenbezogene Aspekte, wie z.B. Mengenstaffelungen oder Jahreshöchstmengen, genauso wie das Gesamtausgabenvolumen des Arzneimittels müssen Bestandteil von Preisverhandlungsverträgen nach §130b SGB V sein. | Keine Änderung. |
Kein Zusatznutzen | Kein Zusatznutzen: Die Jahrestherapiekosten sind mindestens 10% unter der wirtschaftlichsten Vergleichtstherapie einzuordnen ("Muss-Regelung"). Wurde eine zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) ohne Patent-/Unterlagenschutz festgelegt, soll ein Erstattungsbetrag vereinbart werden, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die zVT („Soll-Regelung"). | Keine Änderung. |
Geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen | Geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen: Im Fall eines Komparators mit Patent- /Unterlagenschutz dürfen die Jahrestherapiekosten nicht höher sein als die des wirtschaftlichsten Komparators ("Muss-Regelung"). | Keine Änderung. |
Anwendungsbegleitende Datenerhebung | Werden die Anforderungen der anwendungsbegleitenden Datenerhebung nicht erfüllt, müssen die Jahrestherapiekosten unter dem ursprünglich verhandelten Preis liegen. | Gelöscht. |
Patentgeschützte zVTs oder vergleichbares Arzneimittel (vAM) | Wenn die zVT oder ein vAM nicht das AMNOG-Verfahren durchlaufen hat, aber noch patentgeschützt ist, müssen die Jahrestherapiekosten des Wirkstoffs um 15% reduziert werden. | Keine Änderung. |
Kündigungsfrist | Die Standardkündigungsfrist für alle Erstattungsbetragsvereinbarungen beträgt 3 Monate. | Keine Änderung. |
Verpflichtender Herstellerabschlag | Der verpflichtende Herstellerabschlag, insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel nach §130a ("allgemeiner Herstellerabschlag") wird um 5 Prozentpunkte auf 12% erhöht. Falls der Rabatt „abgelöst" wurde, wird um 5% rabattiert. | Keine Änderung. |
Am 28.10.2022 wird der Gesetzesentwurf zur Absegnung an den Bundesrat gegeben. Das Datum des Inkrafttretens ist derzeit noch unbekannt, ein schnelles Inkrafttreten (November 2022 bis Januar 2023 nach Einschätzung von SKC) wird jedoch erwartet.
Die zahlreichen gesetzlichen Änderungen, die trotz erheblicher Kritik u.a. seitens Pharmaindustrie, Fachgesellschaften, Apothekerverbänden und schlussendlich Bundesrat durchgesetzt wurden, werden weitreichende Auswirkungen auf die pharmazeutische Industrie haben. Beispielsweise zeigt sich, dass vielen Medikamenten durch den G-BA kein oder ein lediglich geringer oder nicht-quantifizierbarer Zusatznutzen attestiert wird, was zukünftig zu einem substanziellen Anstieg des Preisdrucks in Richtung Komparator führen wird. Vor allem bei seltenen Erkrankungen sind hier kaum spezifische Therapien verfügbar – die Komparatoren sind generisch und rein symptomatisch, daher vergleichsweise günstig oder ggf. gar nicht verfügbar (engl. watchful waiting). Daher wird in Zukunft eine frühzeitige strategische Aufstellung im Market Access Prozess weiter an Bedeutung zunehmen. Bereits im Rahmen einer R&D-Strategie sollten die pharmazeutischen Unternehmer die Situation im deutschen AMNOG-Prozess antizipieren und ihr Portfolio entsprechend ggf. optimieren. Als weitere mögliche strategische Implikationen in Reaktion auf das GKV-FinStG empfehlen wir beispielsweise:
- Nischen- und Preisstrategien, um sicherzustellen, dass man unterhalb der 30 Mio. Euro Jahresumsatzschwelle bleibt
- Frühzeitige Diskussion mit Regulatory Affairs über Packungsgrößen und Labeldefinition
- Sondierung von Bündelungsoptionen und Bewertung der Launch Sequenz
- Definition eines Labels, das sicherstellt, dass es einen aktiven Komparator gibt (im besten Fall ein teureres Generikum), um Best-Supportive-Care oder Watchful-Waiting als Preisanker zu umgehen
- Auswahl von Endpunkten zur Darstellung maximaler Effekte und verbesserte Validierung von Surrogatendpunkten gemäß der IQWiG-Methodik, um das Ergebnis der Nutzenbewertung zu verbessern
Als Market Access Special Forces unterstützt die SKC Beratungsgesellschaft ihre Klienten bezüglich der strategischen Implikationen in ihrer individuellen Situation.
Quellen:
- Deutscher Bundestag - Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen
- Unterrichtung an die Ausschüsse 14.10.2022
- Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung 28.09.2022 - Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 19.09.2022
- Ärteblatt: GKV-Finanzreform verabschiedet
Über den Autor
Medical Writer
M.Sc. Animal Biology and Biomedical Sciences
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