Friedreich Ataxie und NMOSD
Seltene neurodegenerative Erkrankungen
Neurodegenerative Erkrankungen sind Krankheiten, die mit einer Störung des zentralen Nervensystems (ZNS) einhergehen. Dabei kommt es zu einem progredienten Funktionsverlust und/oder Ausfall spezifischer Populationen von Neuronen. Grundsätzlich können neurodegenerative Erkrankungen in jedem Alter auftreten. Je nach Erkrankung erfolgt die Behinderungsprogression stetig oder schubweise und führt zu einer zunehmenden Pflegebedürftigkeit, welche unbehandelt meist zum Tod führen kann. Zwei dieser seltenen Erkrankungen möchten wir im Folgenden näher beleuchten.
Friedreich Ataxie
Die Friedreich Ataxie ist eine seltene heterogene kongenitale Multisystemerkrankung, welche sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem, den gesamten Bewegungsapparat, den Herzmuskel und das endokrine Pankreas betrifft. Die Symptome treten meist bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 15 Jahren auf, in seltenen Fällen erst nach dem 25. Lebensjahr. Fast immer erleiden die Betroffenen Gang- und Gliederataxie mit einem Verlust der Reflexe der unteren Gliedmaßen sowie Dysarthrie. Die Gangataxie tritt in der Regel früh im Krankheitsverlauf ein und führt mit dem Verlust des Gleichgewichts und der Rumpfataxie dazu, dass die Patienten bereits im jungen Alter an den Rollstuhl gebunden sind. Durch zunehmende Einschränkungen der Geschicklichkeit und Koordination werden alltägliche Aktivitäten zum Teil stark beeinträchtigt. Eine undeutliche Sprache im Frühstadium der Erkrankung bis zur Unverständlichkeit im fortgeschrittenen Stadium sind die Folge der Dysarthrie. Derzeit gibt es keine zugelassene kausale Therapie der Friedreich Ataxie. Die Behandlung beschränkt sich auf symptomorientierte Maßnahmen wie Physiotherapie und eine Hilfsmittelversorgung (Gehstützen, Rollstuhl), sowie internistische und orthopädische Maßnahmen. Darüber hinaus können nicht für die Friedreich Ataxie zugelassene Arzneimittel erwogen werden, welche jedoch nur eine begrenzte Effektivität zeigen. Aufgrund des hohen therapeutischen Bedarfs wird intensiv an der Entwicklung und klinischen Bewertung neuer Arzneimittel zur Behandlung dieser seltenen Erkrankung geforscht.
Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)
Eine Gruppe seltener neurodegenerativer Autoimmunerkrankung bilden die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen, kurz NMOSD. Sie werden durch Autoantikörper-vermittelte Schäden an Astrozyten ausgelöst, in deren Folge Nervenzellen des ZNS absterben. Die Erkrankung tritt wie die Multiple Sklerose (MS) schubweise auf und wurde lange als Variante dieser Erkrankung klassifiziert. Jedoch erholen sich die Patienten von den teils stark ausgeprägten und unvorhersehbaren Schüben in der Regel nicht, sodass es im Krankheitsverlauf zu einer Akkumulation von neurologischen Defiziten kommt. Dies hat einen zunehmenden Grad an Behinderungen und damit verbundenen Einschränkungen der Patienten zur Folge. Da NMOSD vor allem die Sehnerven und/oder das Rückenmark betrifft, kommt es häufig zu Sehstörungen bis hin zur Erblindung und zu Muskelschwäche in Armen und Beinen. Die Neurodegeneration kann darüber hinaus auch in anderen Bereichen des ZNS auftreten und so verschiedene weitere Symptome verursachen, zu denen beispielsweise das für NMOSD typische Area-postrema-Syndrom zählt. Dieses manifestiert sich in persistierendem Schluckauf, Übelkeit oder Erbrechen. Durch die eindeutige Diagnose der NMOSD können viele der betroffenen Patienten mittels in anderen Indikationen etablierten, jedoch teils nebenwirkungsreichen immunsuppressiven Therapien einen milden Verlauf erreichen. Seit einigen Jahren werden diese nicht für NMOSD zugelassene Therapien durch innovative, spezifisch zugelassene Arzneimittel ergänzt, sodass Patienten mit dieser seltenen und schweren Erkrankung adäquat behandelt werden können.
Die Entwicklungen neuer Arzneimittel im Bereich der seltenen neurodegenerativen Erkrankungen sind nicht zuletzt ein Verdienst der rechtlichen Rahmenbedingungen, welche für Orphan-Arzneimittel geschaffen wurden. Die SKC-Beratungsgesellschaft mbH hat sich der Unterstützung des Marktzugangs innovativer Arzneimittel für Patienten mit bislang fehlenden oder unzureichenden Therapieoptionen verschrieben und beschäftigt sich dabei besonders intensiv mit seltenen Erkrankungen. Wir möchten somit anlässlich des Rare Disease Days am 28. Februar mit diesem Artikel ebenso einen Beitrag leisten, um seltene neurodegenerative Erkrankungen wie die Friedreich Ataxie oder NMOSD bekannter zu machen.
Quellen:
- Reith W. Neurodegenerative Erkrankungen. Radiologe. 2018 Mar;58(3):241-258. German. doi: 10.1007/s00117-018-0363-y. PMID: 29511772.
- Cook A, Giunti P. Friedreich's ataxia: clinical features, pathogenesis and management. Br Med Bull. 2017 Dec 1;124(1):19-30. doi: 10.1093/bmb/ldx034. PMID: 29053830; PMCID: PMC5862303.
- National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NIH): Friedreich Ataxia. (abgerufen am 13.02.2023)
- Blaney B, Hewlett N. Dysarthria and Friedreich's ataxia: what can intelligibility assessment tell us? Int J Lang Commun Disord. 2007 Jan-Feb;42(1):19-37. doi: 10.1080/13682820600690993. PMID: 17365084.
- S1-Leitlinie Ataxien des Erwachsenenalters. Stand: 3. Juli 2018. (abgerufen am 30.01.2023)
- NEMOS - Neuromyelitis optica Studiengruppe. (abgerufen am 30.01.2023)
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