Gesetzeslücke wird wahrscheinlich noch vor parlamentarischer Sommerpause geschlossen

Gesetzesentwurf für ALBVVG als Reaktion auf das BSG-Urteil zu Rapiscan®

Fr, 21.04.2023
Am 05.04.2023 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf für das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) veröffentlicht, welches die Versorgungslage in Deutschland mit Antibiotika und Arzneimitteln zur Fiebersenkung bei Kindern verbessern soll. Neben diesem Hauptziel des Gesetzesentwurfs wird auch eine Gesetzesänderung in Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) im Fall Regadenoson (Rapiscan®) vorgeschlagen. Die geplante Gesetzesänderung soll die Gesetzeslücke schließen, welche durch das Urteil des BSG offenkundig wurde.

Zur Schließung dieser Gesetzeslücke beinhaltet das ALBVVG eine Klarstellung des §35a Absatz 1 Satz 1 SGB V durch nur ein Wort, so dass dieser nun besagt,dass „alle erstattungsfähigen Arzneimittel" mit einem neuen Wirkstoff, welche nicht festbetragsfähig sind, einer Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterzogen werden müssen und daraufhin ein Erstattungsbetrag festzustellen ist. Im Zuge dessen muss der G-BA für das zu bewertende Arzneimittel eine zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) bestimmen, welche „abzustellen ist auf die Versorgungssituation, wie sie sich, ohne das zu bewertende Arzneimittel darstellen würde". Dies wird spezifiziert durch eine Ergänzung der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV), dass neben nicht-medikamentösen Therapien auch Best Supportive Care oder beobachtendes Abwarten als zVT bestimmt werden darf, sollten keine weiteren Arzneimittel im Anwendungsgebiet zugelassen oder erstattungsfähig sein und keine nicht-medikamentöse Behandlungsoption in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestehen.

Der Kabinettsentwurf entschärft dadurch schnell die durch das BSG-Urteil deutlich gewordene Situation, dass therapeutische Solisten eine Sonderstellung mit freier Preisgestaltung besitzen. Es handelt sich dabei allerdings eher um eine Klarstellung als eine echte Änderung des Gesetzes, welche auf die gängige Praxis des AMNOG-Verfahrens vor der Urteilssprechung des BSG, zurückführt.

Im Gesetzesentwurf wird dagegen nicht thematisiert, inwieweit Off-Label-Arzneimittel als zVT herangezogen werden dürfen. Da im Urteil des BSG der Off-Label-Use als zVT grundsätzlich eingeschränkt worden ist, mit der Ausnahme, wenn eine Legitimation des Off-Label-Einsatzes des Arzneimittels im Anwendungsgebiet nach § 35c SGB V vorliegt oder das Arzneimittel zwar keine zulassungsrechtliche allerdings eine therapeutische Behandlungsalternative darstellt und ein Wettbewerb mit dem zu bewertenden Arzneimittel zu erwarten ist, könnte der G-BA in Zukunft seltener bei der Bestimmung der zVT auf Off-Label-Use-Arzneimittel zurückgreifen.

Weiterhin kritisch bleibt der Umgang bei der Bepreisung von Arzneimitteln, bei denen der G-BA eine sehr günstige zVT bestimmt hat. Aus Sicht der Schiedsstelle wäre in diesen Fällen eine Flexibilisierung im Rahmen der Preisfindung wünschenswert. Nicht immer stellen niedrigpreisige oder auch hochpreisige zVT-Optionen einen geeigneten und fairen Preisanker für die Erstattungsbetragsverhandlungen dar. Auch vor dem Hintergrund, dass nicht immer geeignete Studien für das zu bewertende Arzneimittel durchgeführt werden können (z.B. wegen zu geringer Patientenzahlen oder keiner exakten Umsetzung der zVT in der Studie aus Sicht des IQWiG) und somit kein Zusatznutzen gewährt wird. Besonders Best Supportive Care oder beobachtendes Abwarten sind dabei als eher problematisch anzusehen. Von den bisherigen AMNOG-Verfahren, bei welchen Best Supportive Care oder beobachtendes Abwarten als einzige zVT-Option herangezogen worden ist, konnte lediglich in 38 von 52 respektive 13 von 18 Fällen ein Zusatznutzen nachgewiesen werden. Das entspricht nur leicht über 70% der Fälle. Dieses Problem adressierende Lösungen sind aus Sicht der Schiedsstelle wünschenswert, da diese an die vom G-BA festgelegte zVT, den beschlossenen Zusatznutzen sowie möglicherweise greifende Leitplanken gebunden ist und keine Möglichkeit hat, einen angemessenen Preis festzulegen.

Zuletzt ist die Übertragbarkeit des BSG-Urteils auf den eigenen Fall ist nicht immer gegeben und bedarf eines Rechtstreits zwischen den Parteien. Es besteht allerdings die Möglichkeit, im Verhandlungsprotokoll sowie dem Vertrag festzuhalten, dass unter Vorbehalt verhandelt wird, und ein Sonderkündigungsrecht einzubauen, auch wenn mit dem Beschluss des ALBVVG dies hinfällig werden sollte.

SKC verfolgt weiterhin die politische Entscheidungsfindung und Umsetzung des Gesetzesentwurfs und bezieht diese in die Beratung von Klienten ein.

Quellen:

Über den Autor

Ihr Ansprechpartner  Lukas Heinrich Schoppmeyer
Lukas Heinrich Schoppmeyer
M. Sc. Wirtschaftswissenschaft
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