EU-Kommission veröffentlicht Vorschlag zur Anpassung der EU-Pharma Legislation
Größte Reform seit über 20 Jahren
Die vorgeschlagene Reform umfasst den EU-Rechtsrahmen für alle Arzneimittel, insbesondere solcher für seltene Erkrankungen und für Kinder. Die Zielsetzung der EU-Kommission ist per se nachvollziehbar, etwa einen schnelleren und gleichberechtigten Zugang zu Arzneimitteln, einen innovationsfreundlichen Rahmen für die F&E in Europa, eine Verkürzung der Zulassungszeiten für Arzneimittel sowie die Bekämpfung der bedrohlich zunehmenden Ausbreitung von antibiotika-resistenten Keimen. Laut EU-Kommission werde mit der Reform die Gesetzgebung an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts adaptiert.
Was ist neu?
Zentrale Inhalte umfassen u.a.:
- Schnellere Zulassung neuer Arzneimittel: EMA mit 180 statt 210 Tagen, EU-Kommission mit 46 statt 67 Tagen
- Änderung der Schutzrechte: mind. 8 Jahre (6 Jahre Unterlagenschutz (RDP) +2 Jahre Marktexklusivität (ME)) + Verlängerung der Schutzfristen durch Launch in allen EU-Mitgliedsstaaten (+2 Jahre), ungedeckten therapeutischen Bedarf („unmet medical need" , +6 Monate), Daten aus einer komparativen klinischen Studie (+6 Monate) oder Indikationserweiterung (+1 Jahr)
- Änderung der Schutzrechte für Orphan Drugs: Standarddauer der ME sind 9 Jahre + Verlängerung der Schutzfristen bei „hohem" ungedeckten Bedarf („high unmet medical need", +1 Jahr), durch Launch in allen EU-Mitgliedsstaaten (+1 Jahr) oder neue Indikationen für seltene Leiden (max. +2 Jahre)
- Ausstellung übertragbarer „data exclusivity vouchers" (Datenexklusivitätsgutscheine) für die Entwickler neuartiger antimikrobieller Arzneimittel, die an andere Hersteller verkauft werden können.
Die Meinung der verschiedenen Stakeholder ist gespalten. Es wird u.a. bemängelt, dass die zusätzliche Definition des „high unmet medical need" nicht nur viel zu vage definiert sei, sondern zusätzlich den folglich nur noch „moderaten", bzw. in jedem Fall nicht „hohen" unmet need anderer (seltener) Erkrankungen torpedieren könne. Eine weitere Differenzierung des medizinischen Bedarfs innerhalb der Orphan Drugs sei per se nicht zweckmäßig. Außerdem sei eine Verlängerung der ME bzw. RDP um lediglich +1 oder +2 Jahre zu kurz, um ausreichend Anreize für ein europaweites Inverkehrbringen zu schaffen. Die Grundidee der Incentivierung des europaweiten Inverkehrbringens funktioniere explizit nicht für kleinere und mittlere Pharmafirmen ohne ausreichend Kapazitäten, sodass das System eher Innovation und Zugang verhindere. Hier sollte vielmehr eine Anlehnung bzw. Harmonisierung mit der derzeitigen Entwicklung des EU-HTA-Systems vollzogen werden, um eine breite Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Patienten in ganz Europa zu erreichen. Zudem könnte das Gesamtsystem innovationsschädigend sein: Auf der Pressekonferenz der EU-Kommission hat Vizepräsident Margaritis Schinas deutlich gemacht, dass die EU-Kommission sich durch die Reform einen Preisabfall erhofft.
Laut EU-Kommission sei der weitere Zeitplan dieses Vorschlags unklar. Aufgrund der vielen Verzögerungen erscheint es allerdings unwahrscheinlich, dass der Vorschlag in der derzeitigen Legislaturperiode bis zur Wahl des Europäischen Parlaments im Mai 2024 angenommen wird.
SKC trägt auf nationaler und internationaler Bühne zusammen mit verschiedenen Verbänden aktiv zum Gesetzgebungsprozess bei und verfolgt die politischen Entwicklungen auf allen Ebenen genau. Wir beziehen unsere Einschätzungen zu den Entwicklungen und deren Implikationen direkt in die Beratung unserer Klienten ein.
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